Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
gehen. Du kannst selbstverständlich bleiben, solange du willst, aber bei Tschuahn hört es für mich auf.«
Mit Augen, groß wie Untertassen, berichtete mir Louisa: »Vor dem Tee stürzt er in ihr Zimmer und lebt mit ihr.« Louisa bezeichnete den Liebesakt immer als »leben«. »Vor dem Tee, Fanny, kannst du dir das vorstellen?«
»Liebe Sadie«, sagte Davey, »ich tue jetzt etwas ganz Unverzeihliches. Es dient zwar dem allgemeinen Wohl, auch deinem eigenen, aber es ist unverzeihlich. Und wenn du glaubst, du könntest mir nicht verzeihen, wenn ich gesagt habe, was zu sagen ist, dann müssen Emily und ich eben abreisen.«
»Davey«, meinte Tante Sadie erstaunt, »was ist denn los?«
»Das Essen, Sadie, es ist das Essen. Ich weiß, wie schwierig es in Kriegszeiten für dich ist, aber wir werden alle der Reihe nach vergiftet. Gestern Abend war mir stundenlang schlecht, vorgestern hatte Emily Durchfall, Fanny hat diesen großen Pickel auf der Nase, und ich bin überzeugt, die Kinder nehmen nicht so zu, wie sie sollten. Die Sache ist die, wenn Mrs. Beecher eine Borgia wäre, könnte sie kaum erfolgreicher operieren – dieses ganze Wurstgehacksel ist Gift, Sadie. Ich würde mich nicht beklagen, wenn es bloß abscheulich schmecken oder nicht ausreichen würde oder zu viel Stärke enthielte, im Krieg erwartet man das nicht anders, aber wirkliches Gift kann man, wie ich finde, nicht mit Schweigen übergehen. Schau dir den Speisezettel dieser Woche an – Montag Giftpastete; Dienstag Giftburger-Steak; Mittwoch Kornischgift …«
Tante Sadie sah tiefbetrübt drein. »Ach ja, Lieber, als Köchin taugt sie nichts, ich weiß, aber was soll man machen, Davey? Die Fleischzuteilung reicht nur für zwei Mahlzeiten, und du musst bedenken, wir haben vierzehn Mahlzeiten in der Woche. Wenn sie die mit ein bisschen Hackfleisch streckt – Giftfleisch (da stimme ich dir wirklich zu) –, dann reicht es viel länger, verstehst du?«
»Aber auf dem Land kann man die Zuteilung doch bestimmt mit Wild oder mit Erzeugnissen vom Hof ergänzen. Ich weiß, das Hofgut ist verpachtet, aber man könnte doch ein Schwein und ein paar Hühner halten. Und was ist mit dem Wild? Früher gab es hier doch immer so viel Wild?«
»Das Dumme ist, dass Matthew meint, sie brauchen all ihre Munition für die Deutschen, er weigert sich, auch nur einen Schuss an Hasen oder Rebhühner zu verschwenden. Und Mrs. Beecher (ach, was für eine schreckliche Person, obwohl wir natürlich froh sind, dass wir sie haben) ist eine von diesen Köchinnen, die einen Braten und zwei Gemüse ganz ordentlich hinbekommen, aber wenn es darum geht, ein paar Leckerbissen aus diesem und jenem zu improvisieren, fällt ihr nichts ein. Aber du hast recht, du hast völlig recht, Davey, es ist nicht gesund. Ich werde sehen, was sich machen lässt, es muss etwas geschehen.«
»Früher hattest du deinen Haushalt immer so gut im Griff, Sadie, es tat mir immer außerordentlich gut, hierherzukommen. Ich erinnere mich an ein Weihnachten, da habe ich hundertfünfzehn Gramm zugenommen. Aber jetzt nehme ich ständig ab, mein geplagter Leib ist fast schon ein Skelett, und ich fürchte, wenn ich mir jetzt irgendetwas fange, ist es aus mit mir. Ich treffe ja schon alle erdenklichen Vorkehrungen, alles wird desinfiziert, und ich gurgele mindestens sechs Mal am Tag, aber ich kann dir nicht verhehlen, dass meine Widerstandskraft sehr geschwächt ist.«
Tante Sadie sagte: »Es ist leicht, eine wunderbare Hausfrau zu sein, wenn man eine erstklassige Köchin, zwei Küchenhilfen und ein Spülmädchen hat und alles bekommt, was man haben will. Mit Lebensmittelrationen komme ich leider Gottes überhaupt nicht zurecht, aber ich will noch mal einen Anlauf machen. Ich bin sehr froh, dass du es erwähnt hast, Davey, es war völlig richtig von dir, und ich bin dir deswegen überhaupt nicht böse.«
Aber eine wirkliche Verbesserung ergab sich nicht. Mrs. Beecher sagte zu allen Vorschlägen »Ja, ja« und wartete weiterhin mit Hamburger Steaks, Cornwall-Pastete und Shepherds Pie auf, die auch weiterhin voller Hackgift waren. Es schmeckte abscheulich und war sehr ungesund, und wir alle fanden, dass Davey diesmal kein bisschen zu weit gegangen war. Für niemanden waren die Mahlzeiten ein Vergnügen, und für Davey waren sie geradezu eine Qual. Mit verhärmtem Gesicht saß er da, lehnte das Essen ab und nahm immer häufiger Zuflucht zu den Vitamintabletten, von denen sein Platz bei Tisch regelrecht umstellt war
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