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Engpass

Engpass

Titel: Engpass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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allein. Im Kopf ein ziehender Schmerz. Sieht so ein neues Leben aus? In einem Kaff in der Provinz, mit einem Büro mit Lederimitatstühlen. Von einem Penthouse in bevorzugter Lage in der Großstadt in ein gemietetes Bauernhaus im Kleinformat. Verdammte Ironie. Das Leben konnte so was von ungerecht sein.

2. Kapitel
    Anna liegt auf ihrem improvisierten Bett, einer Ausziehgarnitur mit einer Patchworkdecke darüber. Das Telefon hat sie ans Ohr gedrückt.
    »Und?«, will sie von Lars wissen. »Wann kommst du und rettest mich vor dem Tod durch Unterlastung?«
    Lars’ Lachen durchs Handy. »Meine Alten fassen mir doch an den Kopf, wenn ich sag, hey, ich steig mal eben in den Zug und düs nach Bayern. Ich muss sie erst überzeugen.«
    »Ich hol dich in München vom Bahnhof ab, hörst du, Lars? Und dann machen wir uns zwei wunderschöne Tage. Slow motion, in allen Belangen, hörst du?«
    »Üben Cha Cha Cha«, kommentiert Lars und lacht erneut.
    »Hör mir bloß damit auf. Ich will dich endlich ficken.«
    Jetzt ist es still. Annas Stirn legt sich in Falten. »Lars?«, fragt sie nach.
    »Ja«, antwortet der.
    »Hab ich was Falsches gesagt?«
    »Ne, wieso denn, was sollte falsch sein? Ficken will doch jeder, oder? Man hört ja nichts anderes. Ficken, bumsen, vögeln, poppen. Hauptsache, man tut’s.«
    »Lars, was ist denn los?«
    Lars’ Seufzen klingt irgendwie bedrückt. »Sex ist sicher super, aber ich komme nicht, um dich flachzulegen«, meint er nach einer ganzen Weile.
    »Willst du denn nicht?« Jetzt ist Anna völlig irritiert.
    »Doch! Aber ich hab’s noch nie gemacht.«
    Anna schluckt. »Du hast noch nie …? Du bist doch schon 18!«

     
    Die Tür unten öffnet sich. Elsas Rufen dringt nach oben. Anna liegt wie apathisch auf dem Bett und kämpft gegen ihre Gefühle an. Soll sie Lars noch mal anrufen?
    »Maaaammmmma!«
    Elsa lässt die Tasche fallen und rennt die Treppe hinauf. Wenn Anna so ruft, stimmt etwas nicht. Das Handy in Elsas Jacke klingelt. Im Gehen hebt sie ab.
    Hartmuts Stimme klingt einschmeichelnd, aber die Worte sind ein einziger Vorwurf.
    »Endlich hebst du ab. Ich versuche schon, ach, keine Ahnung, unzählige Male, dich zu erreichen. Du bist doch kein kleines Kind, das bockt und nicht ans Handy geht.«
    Elsa ist oben angekommen. Die Wände, noch ohne Bilder, ohne Erinnerung an schöne Stunden, aber auch ohne Erinnerung an Verdruss und Enttäuschung, leuchten ihr nackt entgegen.
    »Lass mich in Ruhe, hörst du!«, verlangt sie von Hartmut und drückt ihn weg. Elsa fasst sich einige Sekunden, während sie im Flur steht, versucht ihrem Gesicht einen beiläufigen Ausdruck zu verpassen.
    Als sie die Tür zu Annas Zimmer aufstößt, sieht sie ihre Tochter auf der Couch liegen.
    Elsa setzt sich an den Rand des Ausziehbettes.
    Anna ist nicht fähig zu sprechen. Sie lehnt den Kopf an die Schulter ihrer Mutter und weint leise vor sich hin. Elsa kann sich schon denken, worum es geht.

     
    »Hörnchen, Hörnchen, du bist ein Depp.«
    Degenwald nimmt sich sein Bier und stemmt es dem Gerichtsmediziner entgegen. Dann taucht er seine Lippen in die weiße Schaumkrone und trinkt einen großen Schluck Weißbier.
    »Das geht auf mich!«, ruft Michael Horn dem Wirt entgegen. »Bring uns noch eine Runde. Karli ist heute besonders durstig. Frauen kosten Nerven. Seine Neue, diese Elsa, besonders.« Und schon erschüttert ein brummiges Lachen das verrauchte Zimmer mit dem ausgestopften Hirschkopf samt Geweih, den heruntergekommen aussehenden Stühlen, der kleinen Bar und den Sprossenfenstern.
    »Was will die denn überhaupt hier? Hast du gesehen, wie die im Wald rumrennt, als wenn sie gerade vom Shoppen käme? Die wird hier nicht alt.«
    Degenwald schüttelt amüsiert den Kopf. Seine Gedanken stehen ihm weder ins Gesicht geschrieben noch verrät seine Haltung etwas.
    Michael Horn bestellt eine Schinkenplatte und einen Schnaps. »Irgendwie ist mir die Tote auf den Magen geschlagen«, verkündet er.
    »Ach so, deshalb der Speck.« Degenwald deutet auf das Fleisch neben den Gurken, als der Wirt die Platte vor Michael Horn hinstellt.
    Hörnchen nickt, während er hungrig in eine Scheibe dunkles Brot beißt, den Bissen mit einem Schluck Bier hinterherspült und dann den Schinken mit dem scharfen Messer angeht.
    »Erinnerst du dich an die Maihauser? Aus Marquartstein. Gleich bei mir um die Ecke.« Hörnchen fuchtelt ungelenk mit dem Messer vor Degenwalds Gesicht herum. »Dieses Bild von einer Frau mit dem polternden Mann. Der

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