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Engpass

Engpass

Titel: Engpass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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verpasste ihnen eine charmant ironische Note, um den Schrecken nicht so nah an sich heranzulassen.
    »Nachdem alles so weit aufgeklärt ist, freue ich mich auf einen sauberen Einstand unserer lieben Kollegin Wegener.«
    Hörnchen deutet Elsas Lächeln als Zustimmung, nimmt einen weiteren Schluck Kaffee und schlägt auch gleich die passende Lokalität vor.
    »In der Alten Post in Marquartstein? Morgen Abend? Da kriegen wir auch was Ordentliches auf den Teller«, fragt er nach. »München kann ruhig zwei Tage auf mich verzichten. Ich wäre also hier und hätte Zeit.«
    Elsa nickt. »Einverstanden! Wird ohnehin höchste Zeit, dass ich mein Versprechen einlöse. Sonst hinterlasse ich hier noch einen falschen Eindruck.«
    Degenwald hat seinem Lächeln etwas Verschmitztes hinzugefügt. »Dann müssen wir jetzt wohl den guten Ben anrufen. Auf den wollen Sie sicher nicht verzichten?« Er zückt sein Handy und schaut Elsa dabei an.
    Die hört den Unterton aus seiner Stimme heraus, kommt an seine Seite und legt ihm, völlig unerwartet, den Arm auf die Schulter. »Genau so machen wir es, Kollege Degenwald. Teamarbeit. Da darf keiner fehlen.«
    »Heiliger Bimbam! Da ist ja eitel Wonne angesagt«, mischt Hörnchen sich ein. »Gleich rinnt der Zuckerguss über euch hinweg. Da wird einer wie ich erstens neidisch und zweitens, wenn das auf andere – etwa auf mich – abfärbt, arbeitslos.«
    »Keine Sorge. Derartiges tun wir dir nicht an. Ich gehe stark davon aus, dass Elsa Wegener auch beim nächsten Fall wieder die Vorzüge ihrer nordrhein-westfälischen Dickköpfigkeit zum Einsatz bringt.«
    Elsa boxt Degenwald gespielt ernst in die Seite und lacht dabei.
    »Darauf trinken wir morgen Abend. Bis dahin, servus. Ich muss weiter«, verabschiedet sich Hörnchen.
    Er leert seine Kaffeetasse, schiebt sie beiseite, setzt den Hut auf und verlässt mit erhobener Hand das Büro.
    »Eine Laune hat der!« Degenwald schüttelt verwundert den Kopf.
    »Tja, unverständlich, bei dem Leichenverschleiß in letzter Zeit«, findet auch Elsa.

     

Epilog

     

     
    Am Abend, vorm Fernseher - Anna hatte MTV eingeschaltet- erzählt Elsa, dass Hartmut, ihr Vater, die Scheidung eingereicht hat.
    »Und seine Neue? Diese Tussi?«, will Anna, die gerade erst mit Aufregen angefangen hat, wissen.
    »Zieht zu deinem Vater.«
    »Heiter! Wirklich durchweg heiter!« Anna schlägt genervt mit der Faust auf den Wohnzimmertisch. »Dieses verlogene Frauenzimmer zieht in unser Zuhause. Und du sitzt da und lässt dir das einfach so gefallen.«
    Elsa weiß, Anna täuscht Wut vor, um die Trauer auszugrenzen. Sie lässt sie, sagt nichts zu allem. Es ist wichtig, dass sie sich erst mal Luft machen darf. Auflehnen gegen die augenscheinliche Ungerechtigkeit, die doch nichts anderes ist als das gewöhnliche Leben, das ewige Bewegung, niemals Stillstand bedeutet.
    Nach einer ganzen Weile, als von Anna nichts mehr kommt, als ein einziger frostig-starrer Blick aus dem Fenster, der Desinteresse heuchelt, beginnt Elsa zu sprechen.
    »Wer da frei
    vom Wahn des Ich und seiner Täterschaft,
    und frei von Selbstsucht ist,
    der tötet nicht, selbst wenn er tötet,
    und bleibt ungebunden, was er auch tut.
    Kapitel 18, Vers 17 der Bhagavad Gita.« Elsa seufzt und schaut Anna auffordernd an.
    »Bhagavad Gita? Was ist das? Davon hast du mir nie erzählt.« Sie schaut irritiert zu ihrer Mutter hinüber.
    »Die Bhagavad Gita ist eine der zentralen Schriften des Hinduismus. Sozusagen ein langes, spirituelles Gedicht. Vermutlich zwischen dem fünften und zweiten vorchristlichen Jahrhundert entstanden. Sie ist ein bedeutendes philosophisches Werk. Viele Gelehrte und Philosophen des Abendlandes haben sie studiert.«
    »Und?«, will Anna wissen. »Kennst du auch jemanden, der das versteht?«
    »Zumindest die Richtung, in die das Ganze zielt, die verstehe ich. Und du, wenn ich’s dir näherbringe, genauso.«
    »Bei deinem Studium hast du das aber nicht gelernt?«, forscht Anna nach.
    Elsa lacht amüsiert auf. »Niemand auf der Uni sagt dir, dass das Ich, das wir als wahr annehmen, nur eine Illusion ist. Die Illusion, sich mit dem Denken zu verwechseln. Nimm die Scheidung von Papa und mir.« Elsa schweigt kurz. »Du glaubst, das ist der Untergang deiner Welt. Aber das ist nur ein Gedanke, der nichts mit der Realität zu tun hat. Vielleicht ist genau dieses Ereignis das Beste, was uns beiden passieren kann.«
    »Heilige Scheiße! Du redest Schwachsinn, Mama. Die Scheidung ist eine

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