Enigma
rasselte die Vorstellung herunter, wobei sein Arm um den Tisch herumschwenkte wie ein Uhrzeiger. »Das ist Admiral Trowbridge. Leutnant Cave. Leutnant Villiers. Commander Hammerbeck«
- der ältere der beiden Amerikaner nickte -, »Leutnant Kramer, Verbindungsoffizier der amerikanischen Marine. Mister Wigram ist hier als Beobachter im Auftrag der Regierung.« Skynner machte vor allen eine leichte Verbeugung und setzte sich wieder. Er schwitzte.
Jericho und Logie holten sich jeder einen Klappstuhl von einem Stapel neben dem Tisch und ließen sich neben Baxter nieder.
Fast die gesamte Fläche der Wand, an der der Admiral saß, wurde von einer Karte des Nordatlantiks eingenommen. Grüppchen von farbigen Scheiben markierten die Positionen alliierter Konvois und ihrer Beschützer: gelb für die Handelsschiffe, grün für die Kriegsschiffe. Schwarze Dreiecke kennzeichneten die vermuteten Positionen von deutschen U- Booten. Unter der Karte stand ein rotes Telefon, eine direkte Verbindung zum U-Boot-Ortungsraum im Keller des Marineministeriums. Der einzige weitere Schmuck an den weißgetünchten Wänden waren zwei gerahmte Fotos. Das eine zeigte den König, etwas nervös dreinschauend, ein Geschenk anläßlich seines kürzlichen Besuchs, mit Signatur. Auf dem anderen war Großadmiral Karl Dönitz zu sehen, der Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine: Skynner bildete sich gern ein, daß er eine persönliche Schlacht gegen den gerissenen Deutschen führte.
Aber jetzt schien er den Faden seiner Rede verloren zu haben. Er hantierte mit seinen Notizen, und während Logie und Jericho ihre Stühle holten und sich auf ihnen niederließen, erhielt einer der Männer von der Royal Navy - Cave, der mit der Augenklappe - ein Nicken des Admirals und begann zu sprechen.
»Wenn Sie Ihre Probleme gelöst haben, wäre es jetzt sicherlich nützlich, die operationelle Situation darzulegen.« Als er aufstand, scharrte sein Stuhl auf dem kahlen Fußboden. Sein Ton war beleidigend höflich. »Die Position um einundzwanzig hundert…«
Jericho fuhr mit der Hand über sein unrasiertes Kinn. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er seinen Mantel anbehalten oder ausziehen sollte. Anbehalten, beschloß er - das Zimmer war kalt, trotz der vielen Menschen. Er machte die Knöpfe auf und lockerte seinen Schal, und während er das tat, bemerkte er, daß der Admiral ihn beobachtete. Sie konnten es einfach nicht glauben, diese ranghohen Offiziere, wann immer sie herkamen - die lasche Disziplin, die Schals und Pullover, das Anreden mit Vornamen. Es gab eine Geschichte über Churchill, der dem Park 1941 einen Besuch abgestattet und auf dem Rasen vor den Kryptoanalytikern eine Rede gehalten hatte. Später, bei seiner Abfahrt, hatte er zu einem der Direktoren gesagt: »Als ich sagte, Sie sollten jeden Winkel auskehren, um Mitarbeiter zu finden, habe ich nicht damit gerechnet, daß Sie das so wörtlich nehmen würden.« Die Erinnerung brachte Jericho zum Lächeln. Der Admiral funkelte ihn an und schnippte Zigarettenasche auf den Boden.
Der einäugige Offizier hatte einen Zeigestab ergriffen und stand jetzt mit einem Packen Notizen vor der Atlantikkarte.
»Es muß leider gesagt werden, daß der Situationsbericht, den Sie uns gegeben haben, in keinem schlimmeren Moment hätte kommen können. Nicht weniger als drei Geleitzüge haben in der vergangenen Woche die USA verlassen und befinden sich gegenwärtig auf See. Konvoi SC-122.« Er schlug einmal mit dem Stab gegen die Karte, heftig, als hege er einen Groll gegen sie, und las von seinen Notizen ab. »Vorigen Freitag von New York ausgelaufen. Beladen mit Heizöl, Eisenerz, Stahl, Weizen, Bauxit, Zucker, Gefrierfleisch, Zink, Tabak und Panzern. Fünfzig Frachter.«
Cave sprach mit einer knappen, metallischen Stimme, ohne sein Publikum anzusehen. Sein gesundes Auge war auf die Karte gerichtet.
»Konvoi HX-220.« Er tippte darauf. »Am Montag von New York ausgelaufen. Vierzig Frachter. Mit Fleisch, Sprengstoff, Schmieröl, gefrorenen Milchprodukten, Mangan, Blei, Holz, Phosphat, Dieselöl, Flugbenzin, Zucker und Milchpulver.« Er wendete sich zum ersten Mal den anderen zu. Die ganze linke Seite seines Gesichts war eine Masse aus purpurfarbenem Narbengewebe. »Das, sollte ich vielleicht hinzufügen, ist ein Zwei-Wochen-Vorrat an Milchpulver für die gesamten Britischen Inseln…«
Es wurde nervös aufgelacht. »Das sollte besser nicht verlorengehen«, witzelte Skynner. Das Lachen hörte sofort auf. Er
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