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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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gedämpfte Trampeln und Poltern von herumgehenden Leuten hören.
    Sie mußte Dienst haben. Sie mußte in der Nachtschicht arbeiten. Durchaus möglich, daß sie nur einen Meter von der Stelle entfernt war, an der er stand.
    Er reckte sich auf die Zehenspitzen.
    Er war nie in Baracke 3 gewesen. Aus Sicherheitsgründen war es unerwünscht, daß Leute, die in einer Abteilung von Bletchley Park arbeiteten, eine andere aufsuchten, sofern sie keine guten Gründe dafür hatten. Von Zeit zu Zeit hatte seine Arbeit ihn über die Schwelle von Baracke 6 geführt, aber Baracke 3 war für ihn Neuland. Er hatte keine Ahnung, was sie tat. Einmal hatte sie versucht, es ihm zu erzählen, aber er hatte sanft gesagt, es wäre besser, wenn er es nicht wüßte. Es mußte etwas mit Registrieren zu tun haben und war »furchtbar langweilig, Darling«, das hatte er ihren beiläufigen Bemerkungen entnommen.
    Er reckte sich, soweit er konnte, bis seine Fingerspitzen die Asbestverkleidung der Baracke berührten…
    Was tust du, liebste Claire? Bist du mit deinem langweiligen Registrieren beschäftigt, oder flirtest du mit einem der diensthabenden Offiziere oder unterhaltst dich mit den anderen Mädchen oder brütest über dem Kreuzworträtsel, das du nie lösen kannst…?
    Plötzlich öffnete sich ungefähr fünfzehn Meter links von ihm eine Tür. In dem schmalen Rechteck aus schwachem Licht erschien ein Mann in Uniform und gähnte. Jericho glitt lautlos zu Boden, bis er auf der feuchten Erde kniete und den Brustkorb an die Mauer drückte. Die Tür wurde geschlossen, und der Mann kam auf ihn zu. Er blieb etwa drei Meter entfernt schwer atmend stehen. Er schien zu lauschen. Jericho schloß die Augen, und kurz darauf hörte er ein Plätschern und dann ein bohrendes Geräusch, und als er sie wieder öffnete, sah er die undeutliche Silhouette des Mannes, der an die Mauer pinkelte. Das Pinkeln dauerte erstaunlich lange, und Jericho war nahe genug, um den scharfen, bierigen Urin riechen zu können. Die Nachtbrise wehte ihm einen feinen Sprühnebel entgegen. Er hielt sich die Hand vor Mund und Nase, um zu verhindern, daß er würgen mußte. Endlich gab der Mann einen tiefen Seufzer, fast ein Stöhnen, von sich und hantierte mit den Knöpfen seines Hosenschlitzes. Er entfernte sich. Die Tür öffnete und schloß sich wieder, und Jericho war allein.
    Es lag eine gewisse Komik in der Situation, die ihm erst später bewußt wurde. Aber zu jener Zeit befand er sich am Rande einer Panik. Was tat er hier wider alle Vernunft? Wenn er ertappt wurde, in der Dunkelheit kniend, mit dem Ohr an einer Baracke, in der er nichts zu schaffen hatte, dann hätte er, um es milde auszudrücken, sehr viel Mühe, diesen Umstand zu rechtfertigen. Einen Augenblick dachte er daran, einfach hineinzumarschieren und nach ihr zu fragen. Aber seine Phantasie ließ ihn davor zurückscheuen. Man konnte ihn hinauswerfen. Oder sie konnte wutentbrannt erscheinen und eine Szene machen. Oder sie konnte erscheinen und die Liebenswürdigkeit in Person sein, und was würde er dann sagen?
    »Oh, hallo, Darling, ich kam gerade vorbei. Du siehst großartig aus. Übrigens, was ich dich fragen wollte, warum hast du mein Leben zerstört?«
    Er hielt sich an der Mauer fest, um wieder auf die Beine zu kommen. Der schnellste Weg zurück zur Straße führte geradeaus, aber dabei mußte er an der Tür zur Baracke vorbeigehen. Er kam zu dem Schluß, daß der sicherste Weg der wäre, auf dem er gekommen war.
    Nach dem Schrecken, den er gerade durchlebt hatte, war er jetzt vorsichtiger. Bei jedem Schritt setzte er seinen Fuß sehr behutsam auf, und alle fünf Schritte blieb er stehen, um sich zu vergewissern, daß außer ihm niemand in der Dunkelheit unterwegs war. Zwei Minuten später stand er wieder vor dem Eingang zur Baracke 8.
    Ihm war zumute, als hätte er einen Geländelauf hinter sich.
    In seinem linken Schuh war ein kleines Loch, und seine Socke war naß. An den Aufschlägen seiner Hosenbeine hingen feuchte Grashalme. Seine Knie waren durchweicht. Und an der Stelle, an der er mit der Betonmauer in Berührung gekommen war, wies sein Mantel leuchtendweiße Streifen auf. Er holte ein Taschentuch hervor und versuchte, sich zu säubern. Er war gerade halbwegs damit fertig, als er die anderen aus der Kantine zurückkehren hörte. Atwoods Stimme hallte durch die Nacht: »Ein unsicherer Kantonist, dieser Mann. Ein sehr unsicherer. Ich habe ihn rekrutiert, müssen Sie wissen«, woraufhin jemand anders

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