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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Was hatte ihn veranlaßt, das, zu tun, was er getan hatte? War es Müdigkeit? War er einfach desorientiert, aus Cambridge herausgerissen und mitten in diesen Alptraum versetzt? War er noch immer krank? Krankheit würde das, was später passierte, gewiß erklären. Oder war er vom Denken an Claire so abgelenkt, daß sein Verstand nicht mehr richtig funktionierte? Alles, woran er sich mit Sicherheit erinnerte, war ein überwältigendes Gefühl der Verärgerung. Sie sind nur als Staffage hier, mein Lieber. Sie sind nur hier, um unsere Zahl zu vergrößern, damit Skynner vor den Yankees eine gute Schau abziehen kann. Sie sind nur hier, um zu tun, was man Ihnen gesagt hat, behalten Sie Ihre Meinung für sich, und stellen Sie keine Fragen. Er hatte es plötzlich satt, hatte alles satt - die Verdunkelung, den Kalkgeruch und die Feuchtigkeit und das Walfleisch - Walfleisch um vier Uhr morgens…
    »Um ehrlich zu sein, ich bin nicht ganz so optimistisch wie meine Kollegen.«
    Skynner unterbrach ihn sofort. Man konnte fast hören, wie in seinem Kopf die Alarmsirenen schrillten, konnte sehen, wie die Flieger übers Deck sprinteten und die Rohre der großen Geschütze himmelwärts geschwenkt wurden, als Skynner unter Beschuß geriet. »Tom ist krank gewesen, Sir. Er war fast einen Monat weg…«
    »Weshalb nicht?« Der Ton des Admirals war gefährlich freundlich. »Weshalb sind Sie nicht optimistisch?«
    »… und deshalb bin ich nicht sicher, ob er mit der Situation vollkommen auf dem laufenden ist. Wollen Sie das nicht zugeben, Tom?«
    »Nun, auf jeden Fall bin ich mit Enigma vollkommen auf dem laufenden, äh, Leonard.« Jericho konnte kaum seinen eigenen Worten trauen. Er fuhr fort: »Enigma ist ein sehr kompliziertes Chiffriersystem. Und Shark ist seine höchste Verfeinerung. Ich habe die letzten acht Stunden damit verbracht, mir das Shark-Material anzusehen und, äh - verzeihen Sie mir, wenn ich außer der Reihe spreche -, aber ich habe den Eindruck, daß wir in einer sehr, äh, schwierigen Lage stecken.«
    »Aber es ist Ihnen doch gelungen, diesen Code zu knakken?«
    »Ja, aber wir hatten einen Schlüssel. Der Wettercode war der Schlüssel, mit dem wir diese Tür aufschließen konnten. Jetzt haben die Deutschen den Wettercode geändert, was bedeutet, daß wir unseren Schlüssel verloren haben. Sofern es nicht irgendwelche neue Entwicklungen gibt, von denen mir nichts bekannt ist, sehe ich beim besten Willen nicht, wie wir… «, Jericho suchte nach einer Metapher, »das Schloß aufbrechen können.«
    Der andere amerikanische Marineoffizier, der bisher noch nichts gesagt hatte - Jericho konnte sich momentan nicht an seinen Namen erinnern -, sagte: »Und Sie haben immer noch nicht die Bomben mit vier Walzen, die Sie uns versprochen haben.«
    »Das ist ein anderes Thema«, murmelte Skynner. Er warf Jericho einen mörderischen Blick zu.
    »Ist es das, Kramer?« Das war es. Er hieß Kramer. »Wenn wir ein paar Bomben mit vier Walzen hätten, dann würden wir doch den Wetterschlüssel nicht brauchen, oder?«
    »Einen Moment«, sagte der Admiral, der dieser Unterhaltung mit wachsender Ungeduld gefolgt war. »Ich bin ein Seemann, und ein sehr alter Seemann obendrein. Ich verstehe nichts von diesem Gerede über Schlüssel und Hilfssysteme und Bomben mit Walzen. Wir versuchen, die Schiffahrtswege von Amerika hierher offenzuhalten, und wenn uns das nicht gelingt, verlieren wir den Krieg.«
    »Hört, hört«, sagte Hammerbeck. »Gut gesagt, Jack.«
    »Würde mir jetzt bitte jemand eine eindeutige Antwort auf eine eindeutige Frage geben? Wird dieser Blackout definitiv in vier Tagen behoben sein oder nicht? Ja oder nein?«
    Skynners Schultern sackten herab. »Nein«, sagte er müde. »Wenn Sie so fragen, Sir, muß ich Ihnen sagen, daß ich nicht definitiv versprechen kann, daß er behoben sein wird.«
    »Danke. Also, wenn nicht in vier Tagen, wann wird er dann behoben sein? Sie da. Sie sind der Pessimist. Was glauben Sie?«
    Wieder spürte Jericho, daß alle Blicke auf ihn gerichtet waren.
    Er wählte seine Worte mit Bedacht. Der arme Logie schaute in seinen Tabaksbeutel, als wäre er am liebsten hineingekrochen und nie wieder herausgekommen. »Das ist sehr schwer zu sagen. Der einzige Anhaltspunkt, den wir haben, ist der letzte Blackout.«
    »Und wie lange hat der gedauert?«
    »Zehn Monate.«
    Es war, als hätte er eine Bombe gezündet. Jeder gab ein Geräusch von sich. Die Männer von der Marine brüllten. Der Admiral begann zu

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