Enigma
gestatten«, sagte Skynner laut, um wieder Ordnung in die Versammlung zu bringen. Jericho sah, daß er seine »Kommt-laßt-uns-lächeln-im-Angesicht-der-Katastrophe«-Miene aufgesetzt hatte - ein untrügliches Anzeichen für ausbrechende Panik. »Ich meine, wir sollten uns vor allzu großem Pessimismus hüten. Schließlich bedeckt der Atlantik eine Fläche von zweiunddreißig Millionen Quadratmeilen.« Er riskierte ein weiteres Lachen. »Das ist eine Menge Ozean.«
»Ja«, sagte Hammerbeck, »und sechsundvierzig ist eine verdammte Menge von U-Booten.«
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Es ist vermutlich die größte Konzentration, mit der wir es bisher zu tun hatten«, sagte Cave. »Ich fürchte, wir müssen davon ausgehen, daß der Feind Kontakt aufnehmen wird. Es sei denn, wir können herausbekommen, wo sich die U-Boote befinden…«
Er warf Skynner einen vielsagenden Blick zu, aber Skynner ignorierte ihn und redete weiter. »Und wir vergessen nicht, daß diese Konvois nicht ungeschützt sind.« Er ließ den Blick hilfesuchend um den Tisch wandern. »Sie haben doch eine Eskorte?«
»Ja.« Wieder Cave. »Sie haben eine Eskorte aus« - er konsultierte seine Notizen - »sieben Zerstörern, neun Korvetten und drei Fregatten sowie mehreren anderen Schiffen.«
»Unter einem erfahrenen Befehlshaber…«
Die britischen Offiziere schauten zuerst sich an und dann den Admiral.
»Wie die Dinge liegen, ist es sein erstes Kommando.«
»Großer Gott!« Hammerbeck ruckte auf seinem Stuhl vorwärts und hieb mit der Faust auf den Tisch.
»Wenn ich etwas dazu sagen dürfte. Vorigen Freitag, als die Eskorten zusammengestellt wurden, haben wir natürlich nicht gewußt, daß unser Nachrichtendienst ausfallen würde…«
»Wie lange wird dieser Blackout dauern?« Das war das erstemal, daß der Admiral etwas sagte, und alle wandten sich ihm zu. Er hustete - ein scharfes, explosives Husten, das sich anhörte, als flögen in seiner Brust Maschinenteilchen herum -, sog eine weitere Lunge voll Rauch ein und gestikulierte mit seiner Zigarette. »Was meinen Sie, wird er in vier Tagen vorüber sein?«
Die Frage war direkt an Skynner gerichtet, und nun sahen alle ihn an. Er war ein Administrator, kein Kryptoanalytiker - vor dem Krieg war er Vizekanzler an irgendeiner Universität im Norden gewesen -, und Jericho wußte, daß er nicht die geringste Ahnung hatte. Er wußte nicht, ob der Blackout vier Tage, vier Monate oder vier Jahre dauern würde.
Skynner sagte vorsichtig: »Es ist möglich.«
»Nun ja, möglich ist alles.« Trowbridge gab ein unangenehm schnarrendes Lachen von sich, das in ein weiteres Husten überging. »Ist es wahrscheinlich? Ist es wahrscheinlich, daß Sie diesen - wie nennen Sie ihn? - diesen Shark-Code knacken können, bevor unsere Geleitzüge in die Reichweite der U-Boote kommen?«
»Wir geben dem allerhöchste Priorität…«
»Ich weiß verdammt gut, daß Sie dem allerhöchste Priorität geben, Leonard. Das sagen Sie ständig. Aber das ist keine Antwort auf meine Frage.«
»Nun, Sir, wenn Sie darauf bestehen, Sir, ja.« Skynner schob heroisch sein großes Kinn vor. Vor seinem geistigen Auge steuerte er sein Schiff mannhaft direkt in einen Taifun hinein. »Ja, ich glaube, das wird uns gelingen.«
Du spinnst, dachte Jericho.
»Und Sie alle glauben das?« Der Admiral starrte in ihre Richtung. Er hatte Augen wie ein Bluthund, rot unterlaufen und wäßrig.
Logie war der erste, der das Schweigen brach. Er sah Skynner an, zuckte die Achseln und kratzte sich mit dem Stiel seiner Pfeife am Kopf. »Ich nehme an, wir haben den Vorteil, daß wir jetzt mehr über Shark wissen als früher…«
Atwood kam ihm zu Hilfe: »Wenn Guy meint, wir könnten es schaffen, dann respektiere ich natürlich seine Ansicht. Ich schließe mich jeder seiner Einschätzungen an…« Baxter nickte verständnisvoll.
»Und Sie?« sagte der Admiral. »Was meinen Sie?«
In Cambridge würden sie jetzt gerade das Frühstück beenden. Kite würde über Dampf die Post öffnen. Mrs. Sax würde mit ihren Besen und Eimern herumklappern. Im Speisesaal gab es samstags Gemüsepastete mit Kartoffeln zum Mittagessen…
Er wurde sich der Stille im Raum bewußt, schaute auf und stellte fest, daß alle Augen auf ihn gerichtet waren. Der blonde Mann im Anzug starrte ihn besonders neugierig an. Er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg.
Und dann empfand er plötzlich Verärgerung.
Später sollte Jericho viele Male über diesen Moment nachdenken.
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