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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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von der kryptoanalytischen Arbeit abgezogen und irgendwo anders untergebracht werden, wo Sie keinen Schaden anrichten können. Ich werde sogar dafür sorgen, daß Sie aus Bletchley verschwinden.« Er steckte den Schlüssel in die Tasche und klopfte darauf. »Sie können natürlich nicht ins Zivilleben zurückkehren, nicht, bevor der Krieg vorüber ist. Dazu wissen Sie zuviel. Aber ich habe gehört, daß die Admiralität auf der Suche nach einem zusätzlichen Gehirn für die Statistik ist. Ziemlich öde, aber behaglich genug für einen Mann von Ihrer - Empfindsamkeit. Wer weiß? Vielleicht lernen Sie ein nettes Mädchen kennen. Jemand, der - wie soll ich sagen - passender für Sie ist als die Person, mit der Sie sich mehrere Male getroffen haben.«
    Jetzt versuchte Jericho, ihm einen Schlag zu versetzen, aber nicht mit dem Aschenbecher, nur mit der Faust, was sich als Fehler erwies. Skynner trat mit überraschender Behendigkeit beiseite, der Schlag verfehlte ihn, und dann fuhr seine rechte Hand vor und packte Jerichos Unterarm. Skynner grub seine Finger sehr hart in den weichen Muskel.
    »Sie sind ein kranker Mann, Tom. Und ich bin in jeder Hinsicht stärker als Sie.« Er verstärkte ein oder zwei Sekunden den Druck, dann ließ er den Arm unvermittelt los. »Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen.«

5.
    Gott, war er müde. Die Erschöpfung hatte ihn überfallen wie ein lebendes Wesen, umklammerte seine Beine, hockte auf seinen herabgesackten Schultern. Er lehnte sich gegen die Außenmauer des A-Blocks, legte die Wange an den glatten, feuchten Beton und wartete darauf, daß sein Puls wieder normal wurde.
    Was hatte er getan?
    Er mußte sich hinlegen. Er mußte ein Loch finden, in dem er sich verkriechen und ein bißchen Ruhe finden konnte. Wie ein Betrunkener auf der Suche nach seinen Schlüsseln tastete er erst in der einen Tasche herum und dann in der anderen und zog schließlich die Einquartierungsnotiz hervor und starrte darauf. Albion Street? Wo lag die? Er hatte eine vage Erinnerung. Er würde es wissen, wenn er sie sah.
    Er stieß sich von der Mauer ab und machte sich auf den Weg, ganz vorsichtig, vom See fort auf die Straße zu, die zum Haupttor führte. Ungefähr zehn Meter vor ihm stand ein kleiner schwarzer Wagen, und als er näher kam, ging die Fahrertür auf, und eine Gestalt in einer blauen Uniform kam zum Vorschein.
    »Mister Jericho!«
    Jericho fuhr überrascht zusammen. Es war einer von den Amerikanern. »Leutnant Kramer?«
    »Hallo. Wollen Sie nach Hause? Kann ich Sie hinbringen?«
    »Nein, vielen Dank. Es ist nicht weit.«
    »Nun kommen Sie schon.« Kramer schlug mit der flachen Hand aufs Wagendach. »Habe ihn gerade bekommen. Es würde mir Spaß machen. Kommen Sie.«
    Jericho war im Begriff, abermals abzulehnen, aber dann spürte er, wie seine Beine unter ihm nachgaben.
    »Was ist los, Mann?« Kramer sprang vor und ergriff seinen Arm. »Sie sind ja völlig fertig. War wohl eine lange Nacht?« Jericho ließ zu, daß Kramer ihn zur Beifahrertür führte und auf den Sitz schob. Im Inneren des kleinen Wagens war es kalt und roch, als wäre er lange Zeit nicht benutzt worden. Jericho vermutete, daß er der ganze Stolz von irgend jemandem gewesen war, bis die Benzinrationierung ihn von der Straße gedrängt hatte. Das Chassis schaukelte, als Kramer an der anderen Seite einstieg und die Tür zuschlug.
    »Hier gibt es nicht viele Leute, die einen eigenen Wagen haben.« Jerichos Stimme klang seltsam in seinen eigenen Ohren, als käme sie von sehr weit her. »Haben Sie Mühe, Benzin zu bekommen?«
    »Nein, Sir.« Kramer drehte den Zündschlüssel, und der Motor erwachte zum Leben. »Sie kennen uns doch. Wir kriegen, soviel wir haben wollen.«
    Am Haupttor wurde der Wagen sorgfältig inspiziert. Der Schlagbaum hob sich, und sie fuhren hinaus, an der Kantine und dem Versammlungsgebäude vorbei, auf das Ende der Wilton Avenue zu.
    »Wohin?«
    »Nach links, glaube ich.«
    Kramer ließ einen der kleinen bernsteinfarbenen Winker ausschnappen, und sie bogen in die Straße ein, die mitten in die Stadt führte. Sein Gesicht sah gut aus - jungenhaft und kantig, mit einer verblichenen Sonnenbräune, die auf Dienst in Übersee schließen ließ. Er war ungefähr fünfundzwanzig und schien hervorragend in Form zu sein.
    »Ich glaube, ich muß Ihnen danken.«
    »Mir danken? Wofür?«
    »Bei der Konferenz. Sie haben die Wahrheit gesagt, während alle anderen nur um den heißen Brei herumgeredet haben. ›Vier Tage‹ - so

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