Enigma
husten. Baxter und Atwood sagten gleichzeitig: »Nein!« Logie stöhnte. Skynner schüttelte den Kopf und sagte: »Das ist wirklich defätistisch von Ihnen, Tom.« Sogar Wigram, der blonde Mann, schnaubte und schaute zur Decke empor, wobei er lächelte wie über einen heimlichen Scherz.
»Ich will damit nicht sagen, daß wir tatsächlich zehn Monate brauchen werden«, fuhr Jericho fort, als man ihm wieder zuhörte. »Aber so liegen die Dinge nun einmal, und ich glaube, daß vier Tage unrealistisch sind. Tut mir leid.«
Es folgte eine Pause, dann sagte Wigram leise: »Ich frage mich nur, weshalb…«
»Mister Wigram?«
»Entschuldigen Sie, Leonard.« Wigram ließ sein Lächeln einmal um den Tisch wandern, und Jericho kam sofort der Gedanke, wie kostspielig er aussah - blauer Anzug, Seidenkrawatte, maßgeschneidertes Hemd, zurückgekämmtes, pomadisiertes Haar und ein Duft nach einem maskulinen Rasierwasser -, er sah aus, als käme er direkt aus dem Foyer des Ritz. Einen Salonlöwen hatte Baxter ihn genannt, was in Bletchley der Code für einen Spion war.
»Entschuldigen Sie«, sagte Wigram abermals. »Habe nur laut gedacht. Ich habe mich gerade gefragt, weshalb Dönitz auf die Idee gekommen ist, gerade diesen Code zu ändern, und weshalb er es gerade jetzt getan hat.« Er sah Jericho an.
»Nach Ihren Äußerungen hört es sich so an, als hätte er sich nichts Schädigenderes für uns ausdenken können.«
Jericho brauchte nicht zu antworten. Logie tat es für ihn.
»Routine. Mit ziemlicher Sicherheit. Sie ändern von Zeit zu Zeit ihre Codebücher. Es ist einfach unser Pech, daß sie es gerade jetzt getan haben.«
»Routine«, wiederholte Wigram. »Na schön.« Er lächelte abermals. »Sagen Sie, Leonard, wie viele Leute wissen über diesen Wettercode Bescheid und darüber, wie wichtig er für uns ist?«
»Na, hören Sie mal, Douglas«, lachte Skynner, »was wollen Sie damit andeuten?«
»Wie viele?«
»Guy?«
»Vielleicht ein Dutzend.«
»Können Sie mir eine kleine Liste machen?«
Logie warf Skynner einen fragenden Blick zu. »Ich - äh - nun ja - ich…«
»Danke.«
Wigram nahm seine Betrachtung der Zimmerdecke wieder auf.
Das Schweigen wurde durch ein langes Aufseufzen des Admirals unterbrochen.
»Ich glaube, ich habe den Sinn dieser Zusammenkunft verstanden.« Er drückte seine Zigarette aus und griff hinunter nach seiner neben dem Stuhl stehenden Aktentasche. Er begann, seine Papiere hineinzustopfen, und seine Leutnants folgten seinem Beispiel. »Ich kann nicht behaupten, daß das eine erfreuliche Nachricht ist, die ich dem Chef des Admiralstabs zu überbringen habe.«
Hammerbeck sagte: »Ich glaube, ich sollte Washington informieren.«
Der Admiral erhob sich, und sofort schoben alle ihre Stühle zurück und standen auf.
»Leutnant Cave fungiert als Verbindungsmann zum Admiralstab.« Er wendete sich an Cave. »Ich möchte täglich Bericht erstattet haben. Wenn ich es mir recht überlege, besser zweimal täglich.«
»Ja, Sir.«
»Leutnant Kramer, Sie machen hier weiter und halten Commander Hammerbeck auf dem laufenden?«
»Das werde ich tun, Sir. Ja, Sir.«
»Also.« Er zog seine Handschuhe an. »Ich schlage vor, wir kommen wieder zusammen, wenn es etwas Neues zu berichten gibt. Was hoffentlich im Laufe der nächsten vier Tage der Fall sein wird.«
An der Tür drehte sich der alte Mann noch einmal um. »Es geht nicht nur um eine Million Tonnen Schiffsmaterial und zehntausend Menschenleben. Es sind eine Million Tonnen Schiffsmaterial und zehntausend Menschenleben alle zwei Wochen. Und es sind nicht nur die Geleitzüge. Es ist unsere Verpflichtung, Nachschub nach Rußland zu schicken. Es ist unsere Chance, auf dem Kontinent zu landen und die Nazis zu vertreiben. Es ist alles. Es ist der ganze Krieg.« Er gab einen weiteren seiner pfeifenden Lacher von sich. »Nicht, daß ich Sie irgendwie unter Druck setzen will, Leonard.« Er nickte.
»Guten Morgen, meine Herren.«
Während sie ihr Guten Morgen, Sir, murmelten, hörte Jericho, wie Wigram leise zu Skynner sagte. »Ich möchte später noch mit Ihnen reden, Leonard.«
Sie hörten, wie die Gäste die Betonstufen hinunterstampften, dann das Knirschen ihrer Füße auf dem Weg draußen, und plötzlich herrschte Stille im Zimmer. Über dem Tisch hingen blaue Tabakschwaden wie Qualm über einem Schlachtfeld.
Skynners Mund war verkniffen. Er summte vor sich hin. Er schob seine Papiere zusammen und richtete die Kanten mit übertriebener Sorgfalt
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