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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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ein Quatsch…«
    »Sie wollten nur loyal sein…«
    »Loyal? Na hören Sie mal, Tom. Ich darf Sie doch Tom nennen? Ich heiße übrigens Jimmy. Die waren präpariert.«
    »Ich glaube, über solche Dinge sollten wir uns nicht unterhalten…« Das Schwindelgefühl war vorbei, und in der geistigen Klarheit, die immer darauf folgte, kam Jericho der Gedanke, daß der Amerikaner draußen auf ihn gewartet hatte. »Hier kann ich aussteigen, vielen Dank.«
    »Wirklich? Aber wir sind doch erst ein paar Meter gefahren…«
    »Bitte, halten Sie.«
    Kramer lenkte den Wagen an den Bordstein vor einer Reihe kleiner Häuser, bremste und schaltete den Motor aus.
    »Bitte, hören Sie mir zu, Tom, nur eine Minute. Die Deutschen haben drei Monate nach Pearl Harbor mit Shark angefangen…«
    »Also…«
    »Entspannen Sie sich. Niemand kann uns hören.« Das stimmte. Die Straße war menschenleer. »Drei Monate nach Pearl Harbor, und plötzlich verlieren wir Schiffe, als machten wir Totalausverkauf. Aber niemand sagt uns, warum. Schließlich sind wir hierzulande die neuen Jungs - wir dirigieren lediglich die Konvois so, wie man es uns in London sagt. Schließlich wird es so schlimm, daß wir euch fragen, was mit den großartigen Kenntnissen los ist, die ihr bisher gehabt habt.« Er streckte Jericho einen Finger entgegen. »Und erst daraufhin werden wir über Shark informiert.«
    »Ich kann mir das nicht anhören«, sagte Jericho. Er versuchte, die Tür zu öffnen, aber Kramer beugte sich vor und ergriff die Klinke. »Ich versuche nicht, Ihre Meinung über Ihre eigenen Leute zu vergiften. Ich versuche nur, Ihnen zu sagen, was hier vorgeht. Als wir voriges Jahr von Shark erfuhren, haben wir angefangen, uns in die Sache hineinzuknien. Und schließlich, nach langem Hickhack, haben wir ein paar Zahlen bekommen. Wissen Sie, wie viele Bomben Ihre Leute Ende letzten Sommers hatten? Das heißt, nach zwei Jahren Bauzeit?«
    Jericho starrte geradeaus. »Solche Informationen sind mir nicht zugänglich…«
    »Fünfzig! Und wissen Sie, wie viele wir nach Ansicht unserer Leute in Washington innerhalb von vier Monaten würden bauen können? Dreihundertsechzig!«
    »Dann bauen Sie sie doch«, sagte Jericho gereizt, »wenn Sie so verdammt großartig sind.«
    »O nein«, sagte Kramer. »Sie verstehen nicht. Das ist nicht zulässig. Enigma ist ein Kind der Briten. Offiziell. Über jede Änderung des Status quo muß verhandelt werden.«
    »Wird darüber verhandelt?«
    »In Washington. Gerade jetzt. Dort ist auch Ihr Mr. Turing. In der Zwischenzeit bleibt uns nichts anderes übrig, als zu nehmen, was ihr uns gebt.«
    »Aber das ist doch absurd. Weshalb baut ihr die Bomben nicht trotzdem?«
    »Tom, nun denken Sie doch selbst mal eine Minute darüber nach. Sie haben hier all diese Horchstellen. Sie haben das ganze Rohmaterial. Wir sind dreitausend Meilen entfernt. Verdammt schwer, Magdeburg von Florida aus zu empfangen. Und welchen Sinn hätte es, dreihundertsechzig Bomben zu haben, aber nichts, womit man sie füttern kann?«
    Jericho schloß die Augen und sah Skynners rot angelaufenes Gesicht, hörte seine grollende Stimme: »Sie haben keine Ahnung mehr von diesem Ort… Wir stehen mit den Amerikanern in Verhandlungen… Sie sind nicht einmal mehr imstande, den Ernst der Lage zu begreifen…« Jetzt endlich verstand er, weshalb Skynner so wütend geworden war. Shark stellte für sein kleines Imperium, das er so mühsam aufgebaut hatte, eine tödliche Bedrohung dar. Aber die Bedrohung kam nicht aus Berlin. Sie kam aus Washington.
    »Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte Kramer. »Ich bin jetzt seit einem Monat hier, und ich finde, was Sie alle erreicht haben, ist erstaunlich, einfach großartig. Und niemand auf unserer Seite redet von einer Übernahme. Aber so kann es nicht weitergehen. Nicht genügend Bomben, nicht genügend Schreibmaschinen. Diese Baracken. Großer Gott. ›War es gefährlich im Krieg, Daddy?‹ ›Klar war es das, ich wäre beinahe erfroren.‹ Haben Sie gewußt, daß die gesamte Operation einmal fast zum Erliegen gekommen wäre, weil Ihnen die Farbstifte ausgegangen waren? Ich meine, worauf läuft das hinaus? Daß Menschen sterben müssen, weil ihr nicht genügend Stifte habt?«
    Jericho war zu müde, um zu argumentieren. Außerdem kannte er sich gut genug aus, um zu wissen, daß es stimmte. Es stimmte alles. Er erinnerte sich an einen Abend vor achtzehn Monaten, als man ihn gebeten hatte, im Shoulder of Mutton Ausschau nach Fremden zu

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