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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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»›Jericho?‹ haben Sie gesagt. ›Das kann doch nicht Ihr Ernst sein? Wir stecken in einer Krise, und Sie wollen Jericho?‹« Die Pfeife fuhr wieder vor. »Und ich habe gesagt: ›Ja, ich weiß, er ist nicht mehr ganz dicht und fällt immer wieder in Ohnmacht wie eine alte Jungfer, aber er hat etwas, er hat diese zusätzlichen zwei Prozent. Also traut mir.‹« Weitere Stöße mit der Pfeife. »Also bitte ich um den verdammten W agen - was hier, wie Sie wissen, kein Kinderspiel ist -, und anstatt mich aufs Ohr zu legen, fahre ich nach Cambridge und trinke schalen Tee und rede auf Sie ein wie auf einen kranken Gaul, und das erste, was Sie tun, ist, daß Sie uns alle wie Idioten dastehen lassen, und dann verprügeln Sie den Leiter der Abteilung - schon gut, schon gut, Sie versuchen ihn zu verprügeln. Und nun frage ich Sie - wer wird jetzt noch auf mich hören?«
    »Skynner.«
    »Machen Sie keine Witze.«
    »Skynner wird auf Sie hören müssen, wenn Sie darauf bestehen, daß Sie mich brauchen. Da bin ich ganz sicher.« Jericho hatte eine Idee. »Sie könnten damit drohen, daß Sie Admiral Trowbridge informieren, daß man mich in die Wüste geschickt hat - in einem entscheidenden Moment der Schlacht im Atlantik -, nur weil ich die Wahrheit gesagt habe.«
    »Ach, könnte ich das? Danke. Vielen Dank. Dann können wir beide zukünftig Rechenaufgaben in der Admiralität lösen.«
    »Es gibt schlimmere Orte, an denen man den Krieg verbringen kann.«
    »Keine billigen Retourkutschen.«
    Wieder wurde an die Tür geklopft, diesmal viel lauter.
    »Herrgott noch mal«, brüllte Logie. »Verpiß dich!« Aber der Knauf drehte sich trotzdem. Jericho machte einen Schritt zur Seite, die Tür ging auf, und Puck trat ein.
    »Tut mir leid, Guy. Guten Morgen, Thomas.« Er nickte beiden mit grimmiger Miene zu. »Es hat sich etwas getan, Guy.«
    »Gute Nachrichten?«
    »Um ehrlich zu sein, nein.« Wahrscheinlich keine guten Nachrichten. Sie sollten lieber mitkommen.«
    »Verdammt, verdammt noch mal«, murmelte Logie. Er warf Jericho einen mörderischen Blick zu, griff nach seiner Pfeife und folgte Puck auf den Korridor. Jericho zögerte eine Sekunde, dann folgte er ihnen über den Korridor und in den Registrierraum. Er hatte ihn noch nie so voll gesehen. Leutnant Cave war da und außerdem, wie es schien, fast sämtliche Kryptoanalytiker der Baracke - Baxter, Atwood, Pinker, Kingcome, Proudfoot, de Brooke und auch Kramer, der in seiner amerikanischen Marineuniform aussah wie ein Filmstar. Er nickte Jericho freundlich zu. Logie schaute sich verblüfft um.
    »Alle Vöglein sind schon da…« Niemand lachte. »Was ist los, Puck? Haben Sie eine Versammlung einberufen. Wollen Sie streiken?«
    Puck deutete mit einem Kopfnicken auf die drei Wrens, die in der Tagschicht im Registrierraum arbeiteten.
    »Ah ja«, sagte Logie, »natürlich.« Er entblößte seine Raucherzähne und zeigte ein gelbes Lächeln. »Wir haben etwas zu besprechen, nichts für junge Mädchen. Husch, husch. Würde es den reizenden Damen etwas ausmachen, die Herren hier für ein paar Minuten allein zu lassen?«
    »Ich habe das hier Leutnant Cave gezeigt«, sagte Puck, als die Wrens gegangen waren. »Funkverkehrsanalyse.« Er hielt das vertraute gelbe Formular hoch, als wäre er im Begriff, einen Zaubertrick vorzuführen. »In den letzten zwölf Stunden wurden zwei lange Meldungen aufgefangen, die von dem neuen Sender der Nazis in der Nähe von Magdeburg kamen. Eine kurz vor Mitternacht - hundertachtzig Gruppen aus vier Buchstaben. Eine kurz danach. Zweihundertelf Gruppen. Zweimal wiederholt, sowohl über die Dianaals auch über die Hubertus-Frequenz. Vier-sechs-null-eins Kilohertz. Zwölfneun-fünfzig.«
    »Nun kommen Sie schon zur Sache«, murmelte Atwood.
    Puck tat so, als hätte er es nicht gehört. »Im gleichen Zeitraum betrug die Gesamtzahl der Shark-Meldungen, die von den im Nordatlantik operierenden U-Booten gesendet wurden, bis null-neun-hundert heute morgen… fünf.«
    »Fünf?« wiederholte Logie. »Sind Sie da ganz sicher, mein Lieber?« Er nahm das Formular und fuhr mit einem Finger über die säuberlichen Eintragungen.
    »Wie sagt man?« fragte Puck. »So still wie ein Grab?«
    »Unsere Horchstellen«, sagte Baxter, der sich das Formular über Logies Schulter hinweg ansah. »Da muß etwas nicht in Ordnung sein. Sie müssen eingeschlafen sein.«
    »Ich habe vor zehn Minuten im Kontrollraum für aufgefangene Funksprüche angerufen. Nachdem ich mit dem Leutnant

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