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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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›Sie können kommen und gehen, wann immer Sie wollen.‹ Ihre eigenen Worte.«
    »Kommen Sie mir nicht auf diese Tour, mein Lieber.« Jericho schwieg einen Moment. Er dachte an den Stich von der King´s-College-Chapel und die dahinter versteckten Funksprüche, an den German Book Room und Weitzmans verängstigtes Gesicht; an Edward Romillys leicht erschütterte Stimme: »Das Tun und Lassen meiner Tochter ist für mich ebenso ein Geheimnis wie anscheinend für Sie… Ihm wurde bewußt, daß Logie ihn eindringlich musterte.
    »Und wann soll ich gehen?«
    »Also, Sie verdammter Idiot. ›Schicken Sie ihn zurück nach Cambridge, und lassen Sie den Scheißkerl diesmal zu Fuß gehen‹ - so lauteten, wenn ich mich recht erinnere, seine Anweisungen.« Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Das hätten Sie nicht tun dürfen, Tom - ihn wie einen Trottel dastehen lassen. Nicht vor seinen hohen Gästen.«
    »Aber er ist ein Trottel.« Wut und Selbstmitleid drohten ihn zu überwältigen, und er versuchte, seine Stimme ruhig zu halten. »Er hat nicht den blassesten Schimmer von dem, worüber er redet. Seien Sie ehrlich, Guy - glauben Sie wirklich auch nur eine Minute daran, daß wir Shark innerhalb der nächsten drei Tage knacken können?«
    »Nein. Aber das kann man so oder so ausdrücken, wenn Sie mich verstehen, zumal wenn unsere heißgeliebten amerikanischen Brüder mit im Zimmer sitzen.«
    Jemand klopfte an, und Logie rief: »Nicht jetzt, alter Junge, kommen Sie später wieder!«
    Er wartete, bis derjenige, der angeklopft hatte, wieder verschwunden war, dann sagte er leise: »Ich glaube, Ihnen ist nicht ganz klar, wieviel sich hier in der Zwischenzeit geändert hat.«
    »Das hat auch Skynner gesagt.«
    »Nun, damit hatte er ausnahmsweise einmal recht. Sie haben es bei der Konferenz gestern selbst erlebt. Wir sind nicht mehr im Jahr 1940, Tom. Das tapfere kleine Britannien steht nicht mehr allein da. Die Dinge haben sich weiterentwickelt. Wir müssen Rücksicht darauf nehmen, was andere Leute denken. Sehen Sie sich doch nur die Karten an, Mann. Lesen Sie die Zeitungen. Diese Konvois laufen von New York aus. Ein Viertel der Schiffe gehört den Amerikanern. Die Fracht stammt ausschließlich von den Amerikanern. Amerikanische Truppen. Amerikanische Besatzungen.« Logie schlug plötzlich die Hände vors Gesicht. »Mein Gott, ich kann es einfach nicht glauben, daß Sie versucht haben, Skynner zu schlagen. Sie haben wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank.« Er nahm die Füße vom Schreibtisch und griff nach dem Telefon. »Hören Sie, mir ist egal, was er gesagt hat. Ich werde sehen, ob ich einen Wagen bekomme, der Sie zurückbringt.«
    »Nein!« Jericho war selbst überrascht von der Vehemenz in seiner Stimme. Vor seinem geistigen Auge konnte er klar und deutlich die Karte des Atlantiks sehen - die braune Landmasse Nordamerikas, die Farbkleckse der Britischen Inseln, das Blau des Ozeans, die harmlosen gelben Scheiben, die Haifischzähne, bißbereit auf der Lauer liegend… Und Claire? Selbst jetzt, wo er Zugang zum Park hatte, konnte er sie nicht finden. Wenn man ihn nach Cambridge zurückbeförderte und seines Passierscheins beraubte, konnte er ebensogut auf einem anderen Planeten leben. »Nein«, sagte er etwas ruhiger.
    »Das können Sie nicht tun.«
    »Es ist nicht meine Entscheidung.«
    »Geben Sie mir zwei Tage.«
    »Was?«
    »Sagen Sie Skynner, Sie wollen mir noch zwei Tage geben.
    Zwei Tage, um auszuprobieren, ob ich wieder einen Weg in Shark finde.«
    Logie starrte Jericho fünf Sekunden lang an, dann begann er zu lachen. »Sie werden wirklich von Tag zu Tag verrückter, alter Junge. Gestern erklärten Sie uns, es wäre unmöglich, Shark in drei Tagen zu knacken. Und jetzt sagen Sie mir, Sie könnten es vielleicht in zwei Tagen schaffen.«
    »Bitte, Guy. Ich flehe Sie an.« Und das tat er wirklich. Er hatte die Hände auf Logies Schreibtisch gestützt und beugte sich darüber. Er flehte um sein Leben. »Skynner will mich nicht nur aus der Baracke heraushaben. Er will, daß ich ganz aus Bletchley Park verschwinde. Er will, daß man mich in irgendeiner Bodenkammer in der Admiralität einsperrt, wo ich mich mit Rechenaufgaben beschäftigen soll.«
    »Es gibt schlimmere Orte, an denen man den Krieg verbringen kann.«
    »Für mich nicht. Ich würde mich aufhängen. Ich gehöre hierher.«
    »Ich habe mich für Sie ohnehin bereits ziemlich weit vorgewagt, mein Junge.« Logie stieß mit seiner Pfeife gegen Jerichos Brust.

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