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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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begannen mit ihrer Tagesarbeit.
    »Das dürfte D-D-Dolphin sein«, sagte Pinker. »Sie entschuldigen mich d-d-doch, Guy?«
    Logie hob zustimmend eine Hand, und Pinker eilte aus dem Zimmer.
    »Wenn wir doch nur eine Bombe mit vier Walzen hätten«, stöhnte Proudfoot.
    »Wir haben keine, mein Bester, also lassen Sie uns damit keine Zeit vergeuden.«
    Kramer hatte an einem der Arbeitstische gelehnt. Jetzt richtete er sich auf. Zum Herumgehen reichte der Platz nicht aus, also trat er ruhelos von einem Bein aufs andere und hieb sich mit der Faust auf die linke Handfläche.
    »Verdammt, ich komme mir so hilflos vor. Anderthalb Tage. Lausige anderthalb Tage. Verdammter Mist. Es muß doch irgend etwas geben. Ich meine, ihr habt es doch schon einmal geschafft, dieses Ding zu knacken, beim letzten Blackout.«
    Mehrere Männer sprachen gleichzeitig.
    »O ja.«
    »Wissen Sie es noch?«
    »Das war Tom.«
    Jericho hörte nicht zu. In seinem Kopf regte sich etwas, irgendeine winzige Verlagerung in den Tiefen seines Unterbewußtseins, jenseits aller analytischen Fähigkeiten. Was war es? Eine Erinnerung? Ein Bindeglied? Je mehr er darüber nachdachte, desto unfaßbarer wurde es…
    »Tom?«
    Sein Kopf fuhr überrascht hoch.
    »Leutnant Kramer hat Sie gefragt, Tom«, sagte Logie mit verdrossener Geduld, »wie Sie Shark beim vorigen Blackout geknackt haben.«
    »Was?« Er war gereizt, weil er beim Nachdenken gestört worden war. Seine Hände flatterten. »Oh, Dönitz wurde zum Admiral befördert. Wir vermuteten, daß die U-Boot-Zentrale hoch erfreut sein würde. So erfreut, daß sie Hitlers Verlautbarung wortwörtlich an seine U-Boote senden würden.«
    »Und haben sie´s getan?«
    »Ja. Es war eine gute Eselsbrücke. Wir haben sechs Bomben eingesetzt. Trotzdem hat es fast drei Wochen gedauert, bis wir die Funksprüche entschlüsselt hatten.«
    »Mit einem so guten Hilfsschema?« sagte Kramer. »Sechs Bomben. Drei Wochen?«
    »So liegen die Dinge nun einmal bei einer Enigma mit vier Walzen.«
    Kingcome sagte: »Ein Jammer, daß Dönitz nicht jeden Tag befördert wird«, was sofort Atwood zum Leben erweckte: »Wie die Dinge laufen, ist das durchaus möglich.«
    Einen Augenblick lang erhellte Lachen die düstere Stimmung. Atwood schien mit sich selbst zufrieden zu sein.
    »Sehr gut, Frank«, sagte Kingcome. »Eine tägliche Beförderung. Sehr gut.«
    Nur Kramer lachte nicht. Er verschränkte die Arme und starrte auf seine glänzenden Schuhe.
    Sie begannen, über eine Theorie von de Brooke zu reden, die seit neun Stunden auf zwei Bomben getestet wurde, aber der methodische Ansatz war, wie Puck erklärte, hoffnungslos verkehrt.
    »Nun, zumindest habe ich eine Idee gehabt«, sagte de Brooke, »was man von Ihnen nicht behaupten kann.«
    »Was daran liegt, mein lieber Arthur, daß ich meine unbrauchbaren Ideen für mich behalte.«
    Logie klatschte in die Hände. »Jungs, Jungs, könnt ihr euch nicht auf konstruktive Kritik beschränken?«
    Die Unterhaltung schleppte sich weiter, aber Jericho hörte schon seit langem nicht mehr zu. Er jagte wieder dem Phantom in seinem Kopf nach, durchforschte seine Erinnerungen an die letzten zehn Minuten, um das Wort zu finden, den Begriff, durch den es ausgelöst worden war. Diana, Hubertus, Magdeburg, Postenlinie, Funkstille, Kontaktmeldung…
    Kontaktmeldung.
    »Guy, wo bewahren Sie den Schlüssel zum Schwarzen Museum auf?«
    »Wie bitte, alter Junge? Oh, in meinem Schreibtisch. Obere Schublade rechts. He, wo wollen Sie hin? Einen Moment, wir sind noch nicht fertig miteinander…«
    Es war eine Wohltat, aus der klaustrophobischen Atmosphäre der Baracke herauszukommen und die frische, kalte Luft zu atmen. Er ging die Anhöhe hinauf auf das Herrenhaus zu.
    In letzter Zeit kam es selten vor, daß er das große Haus betrat, aber wenn er es tat, mußte er immer an die großen Landsitze in den Kriminalromanen der zwanziger Jahre denken. (»Sie werden sich erinnern, Inspektor, daß der Oberst in der Bibliothek war, als die tödlichen Schüsse fielen…«) Das Äußere war ein Alptraum, als hätte jemand eine riesige Schubkarre mit den weggeworfenen Überresten anderer Gebäude zu einem Haufen ausgekippt. Schweizer Giebel, gotische Zinnen, griechische Säulen, ländliche Erkerfenster, städtische Rotziegel, steinerne Löwen, das Portal einer Kathedrale, das Ganze gekrönt von einem glockenförmigen Dach aus gehämmertem, mittlerweile grünem Kupfer. Aber die Stile vertrugen sich nicht und wüteten

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