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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Mikich
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für überzogen oder gar missglückt halten. Es wäre sicher besser gewesen, erst einmal innezuhalten und zu klären, wie den inzwischen deutlich gewordenen Auswüchsen des DRG -Abrechnungssystems wirksam begegnet werden könnte. Vielleicht wäre es sogar sinnvoll, die Zahl der DRG s wieder zu begrenzen, zum Beispiel auf jene 80 Prozent der Leistungen, die immer vergleichbar therapiert werden, und jene Erkrankungen anders zu vergüten, die hochkomplex sind, einen schweren Verlauf haben und nicht in das Raster einer genormten Abrechnungswelt passen?
    Bisher war die Psychiatrie der einzige Bereich im Krankenhaus, in dem noch eine Mindestanzahl an Pflegekräften gesetzlich vorgeschrieben war. Diese Regelung wurde jetzt ersatzlos gestrichen. Auch die Personalausstattung in den psychiatrischen Krankenhausabteilungen will Bahr nun in das Ermessen der Kliniken stellen und dem Wettbewerb überlassen. Und das, obwohl offensichtlich ist, dass die Kliniken am Pflegepersonal so sehr sparen, dass die Patientensicherheit nicht mehr gewährleistet ist.
    Gesetzlich verordneter Pflegeschlüssel?
    Darf der Staat weiterhin tatenlos zusehen, dass in den Kliniken immer mehr Patienten mit immer weniger Pflegepersonal behandelt werden? Muss die Politik den Krankenhäusern einen Personalschlüssel gesetzlich vorschreiben, um dieser, für Patienten so gefährlichen, Entwicklung Einhalt zu gebieten? Diese Frage wird mittlerweile in der SPD heftig diskutiert und scheint von einigen mit ja beantwortet zu werden. Es ist ein heißes Eisen. Die ersten Überlegungen dazu kursieren in der SPD unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit. Eine unabhängige Pflege-Kommission einsetzen, die solche Standards krankenhausbezogen entwickelt? Sanktionen, wenn die Kliniken davon abweichen? Die Sorge ist groß, die Krankenhaus-Lobby könnte ein solches Vorhaben gleich im Keim ersticken. Denn ein gesetzlich verordneter Pflegeschlüssel würde viele Krankenhäuser empfindlich treffen, insbesondere auch die privaten Konzerne mit ihren hohen Renditeerwartungen.
    Was tun gegen das Übermaß an überflüssigen Operationen? Gegen die vielen, medizinisch nicht begründbaren Behandlungen? In der SPD gibt es Bestrebungen, die Krankenkassen zu verpflichten, ihren Versicherten ein »Zweitmeinungsverfahren« anzubieten. Nicht für den Notfall, sondern bei planbaren Operationen und nur bei den Erkrankungen, mit denen Patienten ganz offensichtlich allzu häufig in den Operationssaal dirigiert werden. Eingriffe am Rücken würden dazu zählen oder auch Eingriffe am Herzen.
    Alle Krankenkassen wären dann gleichermaßen verpflichtet, ihren Versicherten mitzuteilen, dass es bei bestimmten Eingriffen eine »Überversorgung« gibt, wie das Gesundheitswissenschaftler nennen, dass also wirtschaftliche Gründe bei der Indikationsstellung eine Rolle spielen könnten, und würden den Versicherten deshalb dazu raten, vor dem Eingriff eine zweite Meinung einzuholen. Alle Krankenkassen müssten für eine entsprechende Infrastruktur sorgen, die »Zweitmeinungsärzte« müssten sich verpflichten, den Patienten in kürzester Zeit mit anderen, konservativen Methoden zu helfen, wenn ihnen von einer Operation abgeraten würde. Modellprojekte der Techniker Krankenkasse oder auch der AOK Baden-Württemberg, wo sich Versicherte vor einer Rückenoperation eine zweite Meinung einholen können, könnten dann flächendeckend Normalität sein (vgl. Operation Geldsegen). Damit, so glauben viele in der SPD , könnte die Politik der Überversorgung wirksam begegnen. Die SPD -nahe Friedrich-Ebert-Stiftung hat eine Kommission ins Leben gerufen, die Vorschläge erarbeiten soll zur »Zukunft der stationären Versorgung in Deutschland«. Die Kommission steht ganz am Anfang ihrer Arbeit. Das Recht jedes Versicherten, sich in den Operationsgebieten, in denen sich eine nicht begründbare Mengenausweitung zeigt, eine »zweite Meinung« einzuholen, soll jedoch ein wesentlicher Baustein werden.
    Heißes Eisen Überversorgung
    An die größte Lebenslüge der Politik wagt sich bisher jedoch niemand öffentlich heran. Da geht es um die Krankenhauskapazitäten in Deutschland. Gesundheitspolitiker müssten ehrlich aussprechen, dass es in Deutschland zu viele Krankenhäuser und zu viele Krankenhausbetten gibt und dass es sinnlose Geldverschwendung und zum Schaden der Patienten ist, Krankenhäuser in einen ruinösen Wettkampf zu schicken. Die Idee, einen Teil der Krankenhäuser mit Hilfe des Wettbewerbs und des

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