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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Mikich
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könnten das festlegen.
    Ein großes Problem für die Qualität der Medizin ist, dass sehr viel Geld im Gesundheitssystem umgesetzt wird. Und dass viele Leute, die die Geschicke der Medizin lenken und die Entscheidungen treffen, primär an ihre Organisation, an ihre Klientel denken und eher sekundär an die Patienten – wenn überhaupt. Das heißt, wir brauchen eine Reform, wir brauchen eine richtige, tiefgreifende Reform, die das Gewinnstreben in der Medizin durch Patientenzuwendung ersetzt oder zumindest beides miteinander vernünftig und effektiv verknüpft. Aber dagegen werden alle aktiv Beteiligten sein, und die Patienten werden schweigen. Weil alle, außer den Patienten, momentan sehr gut am Status quo verdienen. Die Krankenhäuser, die Ärzte und die Pharma-Industrie letztendlich auch. Sogar die Krankenkassen. Alle verdienen und glauben, wenn man das Ganze anders ausrichtet – patientendienlicher – , dann werden ihre Verdienste unter Umständen geringer werden oder der Aufwand höher, natürlich. Niemand von denjenigen, die für die Struktur der Medizin in Deutschland verantwortlich sind, hätte etwas davon, wenn etwa Gelder für überflüssige Krankenhausbetten oder für zu viele Röntgengeräte und unnötige Medikamente woanders hingingen, anders verteilt würden. Etwa zu den Krankenschwestern und Krankenpflegern. Aber für die Interessensvertreter, die die Politiker beeinflussen, wäre das kein Wirtschaftsfaktor, wenn die Pflegeberufe mehr verdienen würden, wenn es mehr Pflegende gäbe. Im Gegenteil: Die medizinische »Leistung« würde dann »weniger wirtschaftlich« erbracht werden. Wir müssten endlich zu der Erkenntnis kommen, dass »weniger wirtschaftlich« gegebenenfalls für die Patienten besser sein kann. Wir machen aber leider das Gegenteil: Immer mehr Krankenhäuser werden privatisiert und zunehmend nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten verwaltet. Die »Leistung« muss sich ja lohnen. Es geht vor allem darum, gut bezahlte Eingriffe so günstig wie möglich zu erbringen. Das Gespräch, die zeitintensive Sorge um Patienten, die Zuwendung, viele ethische Gesichtspunkte treten dabei in den Hintergrund. Die Zahl der OP -Minuten pro Eingriff wird zur bestimmenden Größe der Qualität. Nicht die Zeit, die mit wachen Patienten im Gespräch verbracht wird. Unwirtschaftlichkeit ist nicht selten notwendig für eine gute Medizin. Dazu gehört auch, auf »Leistungen« zu verzichten.
    Wir brauchen einen Aufstand der Patienten und auch der Gesunden. Sie müssen sagen: »Wir akzeptieren das so nicht mehr. Diese neue Richtung der weniger und weniger menschlichen und dafür wirtschaftlicheren Medizin. Mit unseren hunderten Milliarden Euro pro Jahr bezahlen wir dieses System. Das akzeptieren wir nicht mehr.«
    Erst wenn wir diesen Aufstand hinbekommen und Gesundheit tatsächlich zu einem politischen Thema wird, das den Wahlausgang beeinflussen könnte, erst dann ist eine Änderung möglich. So wie es eine Bewegung in Sachen Energie und Verkehr, in Ökologie gab. Die Medizin betrifft ja die Menschen ebenfalls und ganz besonders existentiell.
    Es könnte dann eintreten, dass die Menschen sich allmählich für Gesundheitspolitik interessieren. Dass sie die Defizite sehen. Ich möchte, dass das zu einem politischen Problem wird. Ich möchte wissen: Was sagen die SPD , die FDP , die Grünen und auch die CDU und die CSU und die Linke dazu? Wie wollen sie etwas ändern? Oder sind sie mit dem derzeitigen Zustand zufrieden? Falls ja – warum? Und falls nein: Wie wollen sie das System konkret zum Besseren hin weiterentwickeln? Wie wird eine Reform zu mehr Hinwendung zu einer patientenorientierten Medizin von den Parteien umgesetzt? Wie wird eine Fehlerminimierungsstruktur verwirklicht? Wie sollen unnötige Eingriffe verhindert werden? Wie wird mehr Patientensouveränität gefördert? Wie und wann werden wir endlich mehr Kenntnisse über den patientenrelevanten Nutzen und Schaden der medizinischen Maßnahmen erhalten? Wie wird die Qualität der medizinischen Leistungen in unserem Land erhoben? Eine Institution, eine Industrie, eine Behörde kann sich nicht selbst kontrollieren, da müssen unabhängige Instanzen ran. Immer unabhängig, anders geht es nicht. Man lässt ja auch nicht Eltern die Klassenarbeiten ihrer eigenen Kinder bewerten. Schon die Androhung, unabhängige Qualitätskontrollen durchzuführen, würde die Lage verbessern.
    Wann werden wir als Patienten in unserem Medizinsystem endlich als mündige

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