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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Mikich
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Krankenhaus hoffte, wurde enttäuscht. Dazu ist der Kommission nichts Konkretes eingefallen. Auch die Experten, die von der Kommission befragt wurden, konnten zum Thema Krankenhaus keine Ideen oder gar Konzepte beisteuern, so der Vorsitzende Helmut Hildebrandt. Insgesamt empfiehlt die Kommission den Grünen, am Wettbewerbsgedanken festzuhalten – die Politik müsse allerdings andere Anreize setzen, einen Wettbewerb initiieren, der sich an der Qualität der Behandlung und am »Patientennutzen« orientiere und die »gute, gesundheitsstiftende Leistung belohne«. Das Ziel sei »Wert statt Menge«, »Value statt Volumne«. Das sind ehrenwerte Vorschläge – nur wie ein solcher Wettbewerb um Qualität genau aussehen könnte, das weiß derzeit auch bei den Grünen niemand so recht zu sagen.
    Offenbar wollte die grüne Fraktion im Bundestag das so nicht stehen lassen. Denn ein paar Wochen später veröffentlichte sie erste Vorschläge für eine grundlegende Krankenhausreform. Die Ziele sind ehrgeizig: Die Grünen halten es für sinnvoll, die stationäre und ambulante Planung zusammenzuführen. Die Frage, wie viele Krankenhäuser und wie viele Fachärzte mit welchen Schwerpunkten und mit welcher Erreichbarkeit in einer Region tatsächlich notwendig sind – das alles soll fein säuberlich von einem »Versorgungsausschuss« in jedem einzelnen Bundesland überlegt werden, anhand bundeseinheitlicher Kriterien. Darüber wollen die Grünen mit den Bundesländern in einen »Dialog« treten. Die Gesundheitsminister der Länder sollten darauf eingehen.
    Das höchste Gremium der Krankenkassen, der »Spitzenverband Bund«, hat zum Thema Mengenausweitung bisher ein Konzept vorgestellt, das eher Kopfschütteln ausgelöst hat: Um die Fallzahlsteigerung zu stoppen, soll eine Art Zertifikatehandel mit »Operationsmengen« eingeführt werden. Jedem Krankenhaus würde demnach eine bestimmte Menge an Zertifikaten zum Beispiel für Knieoperationen zuteilt werden. Später können die Krankenhäuser mit diesen Zertifikaten untereinander handeln, also beispielsweise Zertifikate für Knieoperationen verkaufen und im Gegenzug dafür Zertifikate für eine bestimmte Menge an Prostataentfernungen einkaufen. Die Gesamtmenge an Zertifikaten wäre zunächst gedeckelt. Eine Art Regulierungsbehörde müsste geschaffen werden, um diesen Handel zu kontrollieren 99 .
    Die Idee ist nicht neu. 2005 wurde der Zertifikatehandel entwickelt, um den Ausstoß des Klimakillers CO 2 zu begrenzen. Ein Handel, der Spekulanten anlockt und offenbar schwer zu kontrollieren ist. Was, wenn auch auf dem Krankenhausmarkt mit solchen Operationszertifikaten spekuliert würde? »Das versteht keiner mehr«, sagt Franz Knieps, langjähriger Abteilungsleiter unter SPD -Ministerin Ulla Schmidt. Seit seinem Ausscheiden aus dem Ministerium verdient er als Berater sein Geld und würde gerne zurück ins Ministerium, falls Rot-Grün die Wahl gewinnt. Den Vorschlag der Krankenkassen, die Mengenausweitung im Krankenhaus über den Zertifikatehandel zu steuern, hält er für abwegig. »Was kommt von euch außer der Idee mit den Zertifikaten?«, wollte er von einem führenden Funktionär vom Spitzenverband der Krankenkassen wissen. Die Antwort war wohl nicht zufriedenstellend, denn Franz Knieps spottete anschließend über die »geistige Armut« an der Spitze der Krankenkassen.
    Jetzt ist Knieps Mitglied der Krankenhaus-Kommission der Friedrich-Ebert-Stiftung. Geleitet wird sie von der Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks ( SPD ). Wie es heißt, sei der Gedanke, dass die Politik dem Wettbewerb Grenzen setzen und die Federführung übernehmen müsste, in diesem Kreis angekommen.
    Als das neue Entgeltsystem vor über zehn Jahren eingeführt wurde, war den meisten Abgeordneten wohl nicht klar, wie gravierend sie die Krankenhauswelt damit verändern würden. Jetzt wissen es alle. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Jetzt gilt es, Lehren aus diesem Experiment zu ziehen.
    Werden die Gesundheitspolitiker die Rahmenbedingungen so verändern, dass die medizinische Versorgung wieder mehr auf das Patientenwohl ausgerichtet ist? Haben sie den Mut, der Veränderung des Krankenhauses hin zu einer »Produktionsstätte« Einhalt zu gebieten? Das ist noch längst nicht klar.
    99 Das Konzept wurde in einem Gutachten entwickelt, das im Auftrag des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung erstellt wurde. RWI: Mengenentwicklung und Mengensteuerung stationärer Leistungen.

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