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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Mikich
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Vollkräften vorsieht«. Ist man also wirklich so weit entfernt von dem Ziel, in den nächsten Jahren 500 Stellen einzusparen?
    Bettina Böttcher vom Marburger Betriebsrat sieht durch den Umstand einer bestätigten Zahl nun endlich eine Chance gekommen. An ihr würden sich die Überlastungsanzeigen aufhängen lassen, an ihr würde sich belegen lassen, dass den subjektiven Eindrücken und den sich häufenden Klagen der Mitarbeiter nachvollziehbare Fakten gegenüberstehen. Sie verfasst Ende Juni einen offenen Brief an die Verantwortlichen in der Uniklinik sowie an die Landesregierung und weist auf die Unzufriedenheit der Beschäftigten am Klinikum hin und unterstreicht diese damit, dass allein in den Intensivbereichen in kurzer Zeit 15 Fachkräfte mit einer Gesamtberufserfahrung von 200 Jahren die Intensivbereiche verlassen hätten. Blutet das Klinikum aus, weil ihm gerade die erfahrenen Fachkräfte davonlaufen?
    Böttcher initiiert eine Umfrage unter etwa 1000 Beschäftigten der Uniklinik Marburg. Und das Ergebnis ist eindeutig: 98 Prozent der Beschäftigten votieren für einen Rückkauf durch das Land Hessen.
    Und Anfang Juni stimmt auch der Medizinische Fakultätentag in diese Argumentation ein. Er appelliert an die Verantwortung des Landes und weist darauf hin, dass es sich nicht nur bei Forschung und Lehre, sondern eben auch bei der universitären Krankenversorgung um öffentliche Aufgaben handele, und »empfiehlt dem Land Hessen die Rückübernahme der Universitätskliniken in Gießen und Marburg« 69 .
    Aber so einfach ist es nicht mit dem Rückkauf. Dafür müssten schon sehr grobe Vertragsverletzungen bestehen oder Missstände, die einen solch radikalen Schritt rechtfertigen würden. Doch so weit, dies zu unterstellen, geht in dieser Zeit niemand, schon gar nicht die Landespolitik. »Wir haben keine Möglichkeit, aus dem Vertrag herauszukommen« 70 , sagt Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann.
    Das stimmt nicht ganz. Es gibt eine Möglichkeit, und die scheint sich ganz zufällig und unerwartet im Sommer 2012 zu eröffnen. Denn ein Rückkaufsrecht des Landes besteht laut Vertrag auch, wenn der Besitzer der Klinik wechselt. Und tatsächlich: Aus heiterem Himmel meldet der Medizin-Gigant Fresenius Interesse gleich an der gesamten Rhön-Klinikum AG an und damit auch am Helden unserer Geschichte, der Uniklinik Gießen-Marburg.
    Fresenius hat schon 2005 den Rhön-Konkurrenten Helios übernommen. Im stark umkämpften deutschen Krankenhausmarkt plant das Bad Homburger Unternehmen, nun auch noch Rhön dazuzukaufen und die beiden Klinikketten im eigenen Konzern zu verschmelzen. Um diese ehrgeizigen Pläne zu verwirklichen, will Fresenius bis zum 1. Juli 2012 über 90 Prozent von Rhön erwerben, zu einem Gesamtpreis von 3,1 Milliarden Euro. Dazu wird ein Übernahmeangebot abgegeben, das deutlich über Marktwert liegt. Rhön-Gründer Eugen Münch, dessen Familie 12,4 Prozent der Aktien und damit eines der größten Pakete hält, will das Angebot annehmen, und die Sache scheint so gut wie abgemacht. Auch in der Landesregierung ist man sicher, bald einen neuen Eigentümer für die Unikliniken zu haben. Von Rückkauf ist allerdings keine Rede. Ganz im Gegenteil lässt man verlauten, mit Fresenius würde man sicher hervorragend zusammenarbeiten. Negiert wird dabei, dass die Gewinnerwartungen von Fresenius mindestens so hoch sind wie jene von Rhön, wahrscheinlich sogar höher. Daraus macht selbst der Konzern keinen Hehl.
    Zwei Philosophien stehen sich hier gegenüber: Die einen finden, dass Krankenhäuser als Teil der Daseinsvorsorge hoheitliche Aufgabe sind und deswegen Gewinninteressen nicht untergeordnet werden dürfen. Die anderen glauben, wenn man Gewinninteressen verfolgt, wird damit auch die Krankenversorgung zielstrebiger verfolgt und damit besser koordiniert. Belege für beide Anschauungen bleiben naturgemäß aus. Es ist die alte Diskussion: Privat gegen Staat. Fakt dabei ist jedenfalls, dass sich die Öffentliche Hand immer stärker dieser Aufgabe entledigt und ihre Häuser entweder härtesten Sparzwängen aussetzt, um sich über Wasser zu halten, oder sie an private Konzerne veräußert.
    Fresenius hat als großer Player bisher bewiesen, dass der Konzern auf dem Krankenhausmarkt gut bestehen kann, aber nun würde ja ein Uniklinikum mit ins Portfolio rutschen, und ob der Konzern dieser Herausforderung gewachsen wäre, dafür gibt es bisher keine Erfahrungswerte.
    Anfangs läuft der Übernahmekrimi gut. In nur

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