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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Mikich
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aufgestaute Ärger im Publikum macht sich im Beifall zu seinen Redebeiträgen Luft. Aber wird sich deswegen die Situation ändern?
    Am Ende bleibt die Frage, wie sich belegen lassen soll, dass die Privaten aufgrund ihrer Gewinnerwartungen immer extremere Wege einschlagen, wenn die öffentlichen Häuser es ihnen gleichtun. Und sie tun es ihnen gleich, weil sich die Politik immer weiter aus dem Feld der Gesundheitsversorgung zurückzieht, als sei dies keine gesellschaftliche Aufgabe, zumindest keine Aufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge. Diese Entscheidung gilt es aber am Ende von allen zu treffen, die Gesellschaft muss sich entscheiden, was ihr Gesundheitsversorgung wert ist.
    Die Mitarbeiter am Klinikum werden weiter über ihre Klinik wachen und die Bürger in Marburg weiter beten und friedlich demonstrieren, solange die Situation nicht geklärt ist. Sie wollen ihre Klinik nicht dem Kommerz opfern. Und sie haben es geschafft, dieses Thema auf die politische Agenda aller Parteien zu bringen. Wer in Marburg Politik machen will, kommt auch in Zukunft um dieses Thema nicht herum.
    Während in der Elisabethkirche in diesem Sommer zahm debattiert und gemeinsam gebetet wird, scheint es, als würde die Uniklinik das Ganze aus der Ferne betrachten, von hoch oben auf den Lahnbergen. Ein leichtes Rumoren hat aber auch sie auf ihrem Hügel erfasst. Denn es wird immer noch gebaut am Klinikum. In großen Containern, die direkt vor dem Klinikum stehen, sind die Bauarbeiter untergebracht. Und dabei ist auch der Architekt des Klinikverkaufs, der ehemalige Landesvater Roland Koch, seltsam anwesend. Denn auf den Baucontainern vor der Baustelle steht in großen Lettern: Bilfinger & Berger.
    Jan Schmitt
    61 Inzwischen vom Gesundheitskonzern »Fresenius« übernommen
    62 Roland Koch, Plenarsitzung im Hessischen Landtag 16/55 am 14.12.2004
    63 Augurzky, B.; Beivers, A.; Neubauer, G.; Schwierz, C.: Bedeutung der Krankenhäuser in privater Trägerschaft. Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung. RWI Materialien Heft 52, Februar 2009
    64 Dr. George J. Arnaoutakis, American Association for Thoracic Surgery 2011, Annual Meeting
    65 Ross, J.S. M.D., M.H.S. Sharon-Lise T. u. a.: 30-Day Mortality for Three Com mon Medical Conditions, in N Engl J Med 2010; 362, Seiten 1110–1118
    66 Roland Koch, Plenarsitzung im Hessischen Landtag 16/55 am 14.12.2004
    67 ebd.
    68 Protokoll Gesellschafterversammlung Rhön Klinikum AG vom 12. März 2012
    69 Offener Brief des Medizinischen Fakultätentags vom 7.6.2012
    70 Eva Kühne-Hörmann, in: Deutschlandfunk, »Privatisierte Unikliniken – Droht in Gießen-Marburg das Scheitern« vom 1.8.2012
    71 Eugen Münch, Vortrag: »DRGs – prägen Leistungsprozesse und Versorgungskonzepte neu – Veränderung ist angesagt« gehalten im Rahmen der Tagung »Swiss DRGs als Herausforderung für Spitäler, Ärzteschaft und Pflege«, Zürich, 22.01.2009

Das Recht auf würdevolles Sterben
Palliativmedizin in Deutschland
    Enteignet werden nicht nur Menschen, die nach Heilung streben. Auch Menschen, die an ihrem Lebensende stehen, werden nicht selten gezwungen, einen Weg zu gehen, den sie nicht nehmen wollen. Dafür steht die Geschichte der sogenannten Spezialisierten ambulanten Palliativmedizin 91 . Sie ist eines der traurigsten Kapitel in der Historie des deutschen Gesundheitswesens.
    Die Geschichte zeigt, wie eine segensreiche Innovation aus Kosten- und Interessensgründen ausgebremst wird. Sie zeigt, wie die Politik einen Offenbarungseid leistet gegenüber einem Gesundheitssystem, über das sie keine Kontrolle mehr hat. Und sie zeigt, wie todkranken Menschen die staatlich garantierte Selbstbestimmtheit darüber genommen wird, wie und wo sie ihre letzte Lebenszeit verbringen können. Die sterbenden Menschen sind die Leidtragenden dieses unwürdigen Tauziehens. Patienten, die schwerste körperliche Schmerzen ertragen müssen und die keine Möglichkeit haben, die lindernde Versorgung zu erhalten, die eigentlich zur Verfügung steht. Paradox ist, dass sie ihre Versorgung zwar über ihre Krankenversicherungsbeiträge bezahlen müssen, dass sie aber nicht mitentscheiden dürfen, worin diese Versorgung besteht, also wo sie ihre letzte Lebenszeit verbringen wollen und durch wen sie versorgt werden. Es ist Glückssache, ob sich dort, wo jemand lebt, schon ein »Palliativnetz« gebildet hat oder nicht.
    Der Traum vom sanften Sterben
    Petra Weber hatte dieses Glück. Als sie ihre letzten Atemzüge macht, ist sie im

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