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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Mikich
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die in der Bundesrepublik beispielhaft ist«, ist da zu lesen. In der Folge stellt man in einer mehr als unglücklichen Formulierung fest, die Geschäftsführungen der Rhön-Klinikum AG und des UKGM versicherten, »dass an den in der Öffentlichkeit diskutierten 500 Stellen nicht festgehalten wird«. Ein Mediationsprozess zwischen Landesregierung und der Geschäftsführung der Klink wird vereinbart.
    Fall erledigt? Keineswegs. Noch am selben Tag appelliert der Betriebsrat an Rhön: »Legen Sie Konzernvorgaben und Planungen zur Personal- und Stellenentwicklung offen!« Aber der Appell verhallt unbeantwortet. Stattdessen berichtet die Geschäftsführung bei der Gesellschafterversammlung Ende März, man sehe ein Einsparpotenzial von 226,05 Vollkräften in diesem Jahr, wobei durch den Abbau bei den Pflegekräften die Kosten allein um zirka 3,5 Millionen Euro sinken könnten. Man erwarte Leistungssteigerungen von 5,1 Prozent in Gießen und 3,1 Prozent in Marburg. Weil den Leistungssteigerungen aber keine »entsprechenden Erlöse gegenüberstehen (…), müsse der Fokus umso stärker auf eine Kostensenkung gesetzt werden« 68 , sprich auf einen Stellenabbau.
    Zur gleichen Zeit wird öffentlich, dass die Investitionen, die Rhön in den Kliniken getätigt hat, nicht vom Konzern, sondern von den Kliniken zu tragen sein werden. Zinsen und Abschreibungen addieren sich immerhin auf 40 Millionen Euro jährlich, die zusätzlich, neben der Gewinnerwartung des Konzerns, durch die Krankenversorgung erwirtschaftet werden sollen.
    Nun sehen sich die Chefärzte der verschiedenen Kliniken am UKGM zu einem einzigartigen Schritt gezwungen. In einer Pressemitteilung nach einer gemeinsamen Konferenz Ende März 2012 bemängeln sie in unmissverständlicher Deutlichkeit eine erhebliche Verdichtung der Arbeit im ärztlichen und pflegerischen Bereich. Zusätzlicher Bedarf für Zinsen und Abschreibungen seien »nicht im Rahmen eines geordneten Betriebes einer Universitätsklinik zu erwirtschaften«.
    Aber der Vorwurf an Rhön geht noch weiter: Es gebe eine »zunehmende Verunsicherung unserer Patienten«, »potentielle Bewerber aus den Reihen der umworbenen jungen Ärztinnen und Ärzte wenden sich vom UKGM ab«, Studierende spürten »eine Gefährdung ihrer Ausbildung«. Falls es aber zu einer Stellenreduktion käme, bliebe nur der Ausweg einer noch stärkeren »Quersubventionierung von Personalressourcen aus Forschung und Lehre in die Krankenversorgung«, was einen »Missbrauch hessischer Steuergelder darstellen würde«. Und abschließend fordern die Klinikchefs: »Da ein Scheitern des Projektes im Raum steht, sollte eine Alternative, z. B. die Rückführung der Privatisierung, sehr rechtzeitig geprüft werden, bevor durch Rufschädigung und Weggang von Kompetenzträgern ein schwer wieder gut zu machender Schaden entstanden ist.« Erstmals steht nun das Szenario eines Rückkaufs der Kliniken durch das Land Hessen im Raum.
    Anfang April bewertet auch die Präsidentin der Universität Marburg, Katharina Krause, die Privatisierung als »kapitalen Fehler«, und das Marburger Stadtparlament fordert von der hessischen Landesregierung, sie solle die Privatisierung der Universitätsklinik Gießen-Marburg zurücknehmen. Selbst der Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU in Marburg wendet sich gegen seine Landespartei. Er stellt klar, dass »Renditeerwartungen eines börsennotierten Krankenhausunternehmens nicht mit den Aufgaben eines Universitätsklinikums kompatibel« seien. »Eine weitere Zusammenarbeit mit Rhön ist für die CDU Marburg nicht denkbar.«
    Alle Augen richten sich nun auf die Landesregierung. Handelt sie? Zu Wort meldet sich die zuständige Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva Kühne-Hörmann ( CDU ). Alles sei besser, lässt sie verlauten, »als die Position, die Rhön hat«.
    Und welche Position ist das? Dafür ist seit 1. April 2012 unter anderem Martin Menger zuständig. Der zweifache Familienvater wurde als mittlerweile 16. Geschäftsführer binnen sechs Jahren für das UKGM installiert. Angetreten sei er, so sagt er selbst, um die Kommunikation an den Kliniken zu verbessern. Hier seien Fehler gemacht worden, aber nun solle ein Klima der Offenheit entstehen. Die Offenheit ändert allerdings nichts an der inhaltlichen Ausrichtung. Im Juni bestätigt Menger, dass »in den Betriebsversammlungen in Gießen und Marburg in dieser Woche über einen möglichen neuen Soll-Stellenplan gesprochen wurde, der eine Reduzierung von 236

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