Entfernte Verwandte: Kriminalroman
drehten den Kopf jeweils zu dem, der gerade sprach, als verfolgten sie ein Tennismatch.
»Und da hast du dir gedacht, für Schwarzarbeit sind Schwarze am besten geeignet, weil man sie nicht sieht.« Ich holte tiefLuft. »Ach zum Teufel, was soll’s. Von mir aus hättest du auch gelbe Atomphysiker aus Neuseeland anheuern können, Hauptsache, sie sind stark genug zum Schnapsschleppen. Die Fuhre kommt bald. Also nehmen wir die beiden, da sie einmal hier sind. Aber lass dir eins gesagt sein, Brüderchen: Wenn du etwas tun willst, ohne aufzufallen, mach es am helllichten Tag, mit ordentlich Lärm und gut sichtbar. Dann achtet keiner drauf. Wenn du klammheimlich in der Dunkelheit herumschleichst, fragt sich jeder, was da wohl Spannendes passiert. Und irgendwer sieht dich immer.«
»Es ist doch noch hell draußen«, entgegnete Alexej und setzte das Barett auf.
Der Inder Rudi stapfte zur Tür herein. Eine kleine alte Frau folgte ihm wie ein Schatten, versteckte sich fast hinter seinem Rücken. Sie machte komische Trippelschritte, schlenkerte einen Fuß nach vorn und setzte die Ferse knapp vor den Zehen des anderen auf.
»Ich dachte, du brauchst vielleicht Unterstützung.« Rudi verbeugte sich höflich und legte die Handflächen vor der Brust zusammen. »Meine Schwester hilft auch beim Tragen.«
Wieder ging die Tür. Der Polizist Korhonen betrat Alexejs Büro. Ich nahm mir vor, mich nicht zu wundern, selbst wenn als Nächster Leonid Breschnew hereintänzeln und sagen würde, Kossygin suche noch nach einem Parkplatz.
Korhonen stolzierte durchs Büro und blickte sich mit übertriebener Verwunderung um.
»Ich bin zufällig vorbeigekommen und habe mich gewundert, was für ein Andrang in Kornostajews Einkaufszentrum herrscht. Wird hier der Friedenspreis von Tattarisuo verteilt oder einfach nur das multikulturelle Finnland gefeiert? So viele Farben wie auf dem Fächer des Spielführers beim Pesäpallo inPattijoki! Aber wo steckt denn die Filmcrew von der Basar-Serie? Die Hottentotten fangen sicher gleich mit ihrem Volkstanz an, und Nehru trommelt den Rhythmus. Oder ist das Gandhis Bruder, der Star von Bollywood, Hauptdarsteller in dem Film ›Für eine Handvoll Rupien‹? Zum Donnerwetter, das ist überhaupt die Idee: Tandoor-Western. ›Nimm die Sitar und spiel mir das Lied vom Tod‹ und ›The Good, the Bad and the Hindu‹, in der Hauptrolle Ravi Shankar, Indiens berühmtester Schankwirt.«
Korhonen hüpfte rastlos hin und her, während er schwafelte.
»Das Tantchen hier ist bestimmt Golda Meir, oder vielleicht doch eher Tyyne Leivo Larsson. Mosche Dajan schwingt den Zauberstab und sagt, da Hamas Problem«, deklamierte er und fuchtelte dabei mit dem Arm in der Luft herum. »Aber mal im Ernst, ihr kleinen Eichhörnchen, was ist das für eine Konferenz?«
»Ähm … guten Abend, Korhonen.« Alexej hüstelte verlegen wie ein Schuljunge im Apfelbaum und sah mich hilfesuchend an.
Ich atmete tief durch und lächelte Korhonen unbefangen an. Im selben Moment hörte ich den Laster hupen.
Korhonen war viel zu ungeduldig, um auf meine Erklärung zu warten.
»Ich hatte mit Viktor eine Kleinigkeit zu bereden. Bei ihm zu Hause hieß es, der Papi ist zur Halle gefahren. Na, die ganze Fabrik war dunkel, die Türen verriegelt. Da hab ich mir in den Kopf gesetzt, den guten Mann ganz allein aufzuspüren. Hat mich fast eine Viertelstunde gekostet«, erklärte er stolz.
Ich versuchte so zu tun, als hätten wir alle Zeit der Welt. Plaudern wir ein wenig, und dann kochen wir Kaffee, oder möchte jemand Tee?
»Wir sind zum Arbeiten hier. Vorhin ist eine Ladung Schmuggelware aus Russland angekommen, Schnaps, Zigaretten und Raubkopien. Zwei Gangster sind gerade weggefahren, wahrscheinlich bist du ihnen sogar begegnet«, erklärte ich gleichmütig. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Alexej vor Schreck die Knie zitterten und seine Gesichtsfarbe zwischen grau und violett changierte.
»Ach ja, und wenn ihr fertig seid, spielt Sakari Kukko zum Tanz auf«, witzelte Korhonen, und ich lachte mit.
»Zur Sache. Es macht zwar Spaß, Witze zu reißen, aber ich hab nicht den ganzen Abend Zeit«, mahnte ich dann. »Komm, wir gehen nach draußen.«
Korhonen hatte seinen Wagen direkt vor dem Eingang zu Aleksejs Geschäft abgestellt. Es war sein Privatauto, ein alter Renault Kombi. Er stand vor der breiten Betontreppe, der Vorderreifen berührte das Gestell, aus dem zwei feste Bürsten für die Schuhe ragten. Sie erinnerten an die Vergänglichkeit
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