Entfernte Verwandte: Kriminalroman
und ließen ihn aussehen, als sei er grundsätzlich unzufrieden.
Den untersetzten Typen hatte ich schon einmal gesehen, aber mir war ohnehin klar, wer die beiden waren: Frolows Handlanger Wadim Korsakow und Imran Gelajew.
Meine Pistole war weit weg, sie lag immer noch gut verstautim Kofferraum des Mercedes. Ich stieg aus und lächelte dem Duo zu.
»Da schau her! Korsakow und Gelajew, nicht wahr? Euer Fahrstil ist ein bisschen hektisch. Meiner Meinung nach kamen wir von rechts. Seid ihr auf dem Weg zu Jaskas Grillbude? Der Knoblauch-Jaska ist längst in Rente. Die Buden führen jetzt andere Leute«, pflaumte ich die beiden an.
»Nicht reden«, erwiderte Gelajew. Das überraschte mich. Ich hatte angenommen, dass Korsakow das Reden übernehmen und sein tschetschenischer Kumpan allenfalls ein gelegentliches Grunzen beisteuern würde.
»Ach, versteht der sogar unsere Sprache?« Die Bemerkung entschlüpfte mir unwillkürlich. Ich versuchte mich zu erinnern, wie tief der Graben hinter mir war. Würde ich es schaffen, in den Durchlass zu kriechen, oder würden Frolows Männer mich auf offener Straße erschießen?
»Nicht reden«, brummte Gelajew erneut. Schon bei diesen zwei kurzen Worten wurde sein kaukasischer Akzent hörbar.
»Wir sind nicht gekommen, um uns zu unterhalten. Wir bringen nur Grüße«, mischte sich Korsakow ein. Seine Stimme klang so gutmütig, wie er aussah. Er machte ein paar Schritte auf mich zu, beugte sich vor und hielt mir einen kleinen durchsichtigen Plastikbeutel mit Verschlussrillen hin. »Grüße von Zinaida.«
Ich erkannte das Schmuckstück in dem Beutel. Zinaida, die schläfrige junge Frau aus der Punavuorenkatu, hatte an dem Ohrring gespielt, hatte die dünnen Kettchen, die daran hingen, bis zum Mund gezogen, während sie mir von ihrem Arbeitgeber Frolow erzählte.
»Hängt ein bisschen Knorpel und Haut vom Ohr dran. Pass auf, dass es nicht von irgendeinem Hund geschnappt wird. Wäredoch schade, wenn sich ein unschuldiges Geschöpf den Magen verdirbt und Bauchweh kriegt«, sagte Korsakow teilnahmsvoll. »Ein nettes Mädchen, die Zinja. Nett, aber geschwätzig«, fügte er hinzu. Die Männer stiegen ein und schlugen die Türen zu. Korsakow manövrierte den Wagen auf die Straße. Bei jeder der heftigen Wendungen schienen die tief profilierten Reifen des Jeeps die Straßendecke aufzureiben.
Ich starrte auf den Ohrhänger im Beutel. Am Stecker hing ein dunkelbrauner Fetzen, der durchaus von Zinaidas Ohrläppchen stammen konnte.
Ich nahm mein Handy und tippte Oksanas Nummer ein. Sie meldete sich sofort, zwitscherte fröhlich drauflos, sie habe gerade an mich gedacht, das sei ein Vorzeichen für meinen Anruf gewesen, und …
»Oksanka, ich kann es dir jetzt nicht genauer erklären, aber du musst die Schlüssel für die Wohnungen in der Punavuorenkatu aus dem Büro holen, hinfahren und nachsehen, ob die Mädchen dort sind. Wenn ja, nimm sie mit. Ob du befiehlst, überredest oder flehst, egal, Hauptsache, sie gehen mit. Bring sie heute Nacht bei dir unter«, kommandierte ich. »Und entschuldige, Oksanka, aber es ist wichtig: Sei vorsichtig!«
Ich verspürte ein leises Schuldgefühl, auch deshalb, weil Oksana womöglich etwas anderes vorgehabt hatte.
»Mach dir keine Sorgen, Viktor«, sagte Oksana, und ich wusste, dass die Sache geregelt war. Für ein, zwei Tage.
24
»Grüß dich, Bruderherz. Wir sind bereit«, meldete Alexej und nahm Haltung an. Er trug den Tarnanzug russischer Soldaten, mit einem wirren Muster in Grau, Schwarz, Weiß und zwei verschiedenen Grüntönen. Vom Sofa an der Wand seines Büros erhoben sich zwei schwarze Männer und nickten eifrig.
»Aljoscha, was hast du denn an?«, fragte ich. »Ich meine, warum zum Teufel? Bist du auf dem Weg ins Pfadfinderlager? Oder zum nächtlichen Fischstechen?«
»Zum Speerfischen sind die Nächte doch viel zu hell«, erklärte mein Bruder. »Ich dachte, bei so einem leicht dubiosen Geschäft … da muss man sich entsprechend kleiden.«
»Du dachtest, aha. Und was sind das für Gestalten? Völlig unbekannte Größen. Ich hatte dich gebeten, zwei vertrauenswürdige Männer zu besorgen.«
»Viktor, Viktor, bist du etwa ein verkappter Rassist? Die Jungs sind aus Gambia. Ich habe sie als Putzmänner vermittelt. Der eine hat Betriebswirtschaft studiert, der andere ist Automechaniker. Und sie haben ganz legale Papiere.« Alexej bemühte sich um einen empörten Ton.
Die Afrikaner hörten sich unser Geplänkel mit ernster Miene an und
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