Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Titel: Entfernte Verwandte: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
Vom Netzwerk:
der Sommerhitze wie eine alte Oma, die den ganzen Sommer hindurch lamentiert, bald werde es wieder Herbst und Winter, dann würden Wind und Frost einem durch die alten Glieder fahren.
    Korhonen kramte in den Fächern am Armaturenbrett und neben dem Schaltknüppel, fand seine Zigarettenschachtel, wiederholte die ganze Operation auf der Suche nach Streichhölzern.
    »Die Mädchen sind zur Bandprobe in Siltamäki. Ich muss sie gleich abholen«, sagte er, als seine Marlboro endlich brannte.
    »Wie alt sind deine Zwillinge jetzt? Zwölf ? Leenu und Liinu?«, erkundigte ich mich.
    »Vierzehn. Färben sich die Haare und verarschen ihre Mutter.Die Schule ist uninteressant. Und zum Glück spielen Zeugnisse keine Rolle, denn die Zukunft liegt in der Rockmusik«, spottete Korhonen ein wenig kraftlos. »Ich hab solche Früchtchen ja zur Genüge gesehen, mir fällt es nicht schwer, ihnen zu sagen, don’t fuck with me, aber für ihre Mutter ist es schwierig, Berufsehre und so.« Korhonens Frau war Psychologin.
    »Ellen. Stimmt’s?«
    »Jawollja. Stell dir mal vor, ich würde Allan heißen. Die Leute würden sagen, da geht Allans Ellen.«
    »Witzig«, sagte ich trocken. Korhonen ließ sich davon nicht beirren.
    »Eigentlich heißt sie Ellen Birgitta Helander-Korhonen. Aber die Finnlandschweden von der Küste haben alle einen Kosenamen, ihrer ist Bibi. Die Mädchen legen es neuerdings darauf an, sie nur noch Ellen oder Mutsch zu nennen. Und Bibi ärgert sich, weil sie weiß, dass die beiden das absichtlich machen. Na ja, eine Sekunde später sind sie dann wieder so klein und harmlos und Mamas Schätzchen und brauchen ein klitzekleines bisschen Geld für den Bus.«
    Korhonen zog noch einmal an seiner Zigarette und trat sie mit dem Absatz aus, sah sich dann besorgt nach einem Mülleimer um und entdeckte die für Kippen vorgesehene Blechdose an der Treppe.
    »Und du, junger Vater, bist auch nicht zu Hause. Fühlst du dich nutzlos, oder bist du gar im Weg? Frauen sind grausam. Sie hüten ihr kleines Babylein, und in ihrem Leben ist kein Platz mehr für andere. Mal abgesehen davon, dass du das Essen ins Haus bringst. Ach ja, ab und zu muss man auch gemeinsam stillen. Aber das hat bloß den Zweck, dir zu zeigen, dass du nicht gebraucht wirst, jedenfalls aber nicht zum Stillen fähig bist. Und die Windeln wickelst du auch irgendwie falsch.Husch, raus mit dir aus der Höhle, sobald du das Lagerfeuer angezündet hast.«
    Korhonen entdeckte eine halbleere Limoflasche unter dem Beifahrersitz, hielt sie gegen das Licht und betrachtete die Flüssigkeit, trank dann gierig. »War wohl noch kein Schimmel drauf«, grinste er. »Ja, ich weiß, meine Einstellung ist ziemlich vorsintflutlich. Bibi würde das nicht unbedingt unterschreiben. Aber ich bin halt selber ein lebendes Beispiel. Mir soll keiner erzählen, so könnte ich das nicht empfinden.«
    Ich wusste nichts zu sagen, obwohl mir klar war, dass Korhonen es bei all seinem Getöne ernst meinte. Mitunter war ich ihm aus dem Weg gegangen, wenn er sich in seiner Midlife-Qual gesuhlt hatte, aber jetzt sprach er ohne jeden Genuss über seine Traurigkeit. Ich hörte ihm zu und lauschte gleichzeitig auf die Geräusche vom Hinterhof, rechnete mir aus, dass bei sechs Leuten jeder gut vierhundert Mal in die Bogenhalle gehen musste, jedes Mal mit einem Kanister. Aber es gab ja Stechkarren, oder vielleicht waren die Kanister auch in Rollcontainern geliefert worden oder auf Paletten, die man mit dem Gabelstapler transportieren konnte …
    »Natürlich bin ich selbst bloß halb erwachsen, das geb ich zu«, sagte Korhonen leise. »Bibi kann das sogar erklären, sie sagt, es liegt daran, dass meine Mutter gestorben ist, bevor wir uns ausgesprochen hatten. Und mit meinem Vater habe ich auch nichts geklärt. Das sind dann Dinge, die man nicht unter Kontrolle hat, wenn man selbst Vater wird. Ich weiß nicht. Es ist die reine Hölle, sich mit seinen Kindern rumzuschlagen. Und verdammt traurig, wenn es vorbei ist. Du kannst kaum gucken, schon sind sie groß. Mein Sohn ist ja schon erwachsen, und die Mädchen habe ich auch nicht mehr lange am Hals.«
    »Dazu kann ich noch nichts sagen. Anna ist noch nicht mal zwei.«
    »Ich schon«, sagte Korhonen. »Natürlich kann man immer erklären, wieso man nicht perfekt ist. Armut und Hunger, als Kind in der Einkaufstasche rumgeschleppt und nie in die Arme genommen worden. Aber sag mir mal, Viktor, warum hast du dir ein Kind zugelegt, eine Familie?«
    »Das musste eben

Weitere Kostenlose Bücher