Entfernte Verwandte: Kriminalroman
sein«, antwortete ich, bevor ich Zeit hatte, nachzudenken, wie sich dieser Satz anhörte. Zu Marja hätte ich das nicht sagen dürfen. »Es gehört irgendwie dazu.«
Korhonen nickte zustimmend.
»Vater werden? Alles klar. Darüber braucht man keine großen Worte zu verlieren. Und ein erwachsener Mann ist ja sowieso die ganze Zeit eine Art Vater. Bei der Arbeit gibt er Ratschläge oder sagt, wo’s langgeht, bei der Nachbarin repariert er das Scharnier am Schrank, und auf dem Hof schimpft er anderer Leute Kinder aus. Und in den Sportvereinen? Zwanzigtausend Männer, die fremde Kinder erziehen. Spiel zum Rand rüber, gut gemacht, Niko-Jonas-Jalmari, nicht aufgeben. Mütter lassen sich da nicht blicken, die kümmern sich nur um ihre eigene Brut.«
Korhonen kramte seinen Autoschlüssel aus der Tasche. Die Sonne glitt bereits hinter die Birken am Rand des Industriegebiets, doch es wurde kein bisschen kühler. »Ich muss los«, sagte Korhonen plötzlich, stieg ein und ließ den Motor an. Er zog die Handbremse, gab reichlich Gas und wendete fast auf dem Punkt.
»Ach ja, was ich dir sagen wollte«, fiel ihm in letzter Minute ein. »Erkundige dich mal nach einem gewissen Luoma. Veikko Luoma. Ein altes Schlitzohr, steht unter Geschäftsbetriebsverbot, annonciert aber fröhlich, er hätte demnächst acht Zimmerleutean der Hand. Vielleicht findest du da deinen verschwundenen Verwandten.«
»Luoma ist wieder da? Ich kenne ihn.«
»Weiß ich. Sonst würde ich dich ja nicht auf ihn hetzen.« Korhonen schüttelte den Kopf über meine Begriffsstutzigkeit. »Ich will Informationen über den Burschen. Er hatte früher Ostkontakte, und zwar nicht nur zu dir. Und im Süden ist er auch gewesen, in Estland. Von da schickt er Leiharbeiter nach Finnland. Ich interessiere mich für diesen Luoma und für alle Himmelsrichtungen seiner Tätigkeit. Wir sind auf seinen Namen gestoßen, als wir uns nach deinem Vetter erkundigt haben. Eine schwache Spur, aber vielleicht interessiert sie dich.«
»Ja, das tut sie«, brummte ich, doch Korhonen hörte mich nicht mehr. Er bog bereits mit quietschenden Reifen um die Ecke.
Ich dachte bei mir, dass er ein trauriger Mann war.
Der Laster stand nicht mehr auf dem Hinterhof. Matti Kiuru war mit dem Gabelstapler in der Halle zugange, während Alexej wachsam an der Tür stand. Sein Tarnanzug spannte über der Brust. Aljoscha sah aus wie ein politischer Offizier an der Heimatfront, der die Stimmungslage beobachten und das Sammeln von Schrott organisieren soll.
»Ist dein Polizistenfreund endlich weg? Mich hätte fast der Schlag getroffen, als er ins Büro spazierte.«
»Das habe ich gemerkt.«
»Wir haben alles ins Lager geschafft. Ich hatte schon überlegt, ob ich einen von den Kanistern präparieren sollte. Ein bisschen Pril unter den Fusel mischen und ein paar Bröckchen Wunderbaum wegen der Duftnote. Hätte sich problemlos aufgelöst. Die Etiketten auf den Dingern sind genau richtig: ›Clean WindowSkandinavia Special‹. Kein schlechter Name. Autozubehör verkauft sich umso besser, je schriller es aussieht«, plapperte Alexej. Allmählich erholte er sich von seinem Schock.
»Und was hättest du mit dem Kanister gemacht?«
»Den hätte ich Korhonen gegeben und gesagt, das ist ein neues Scheibenputzmittel, soll ich deine Waschanlage damit auffüllen? Und dann hätte ich ihm einen Vortrag über Kohlenwasserstoffe, synthetische Tenside und kationaktive Polymerverbindungen gehalten. Ich hätte ihm klargemacht, dass Lasol im Vergleich zu diesem Zeug Pipikram ist. Entschuldige, Viktor, ich bin immerhin Ingenieur und verstehe etwas von organischer Chemie, auch wenn mein Hauptfach die Tribologie ist.«
Offenbar war Aljoscha über meine skeptische Miene beleidigt. Ich rechnete damit, dass er gleich noch etwas über seine Position als großer Bruder sagen, mich daran erinnern würde, dass ich noch im Gitterbettchen strampelte, als er bereits Gleichungen dritten Grades löste, und zwar mit dem Füller.
»Wollen wir die Sudokus in der Zeitung lösen, um die Wette? Ich nehme den schwierigsten Grad und du den mittleren«, forderte er mich heraus.
Das halbdunkle Treppenhaus in der Punavuorenkatu 21 roch trocken und sauber. Ohne Licht zu machen, ging ich mit langsamen, gleichmäßigen Schritten hinauf, Stufe für Stufe. Im zweiten Stock stellte ich die leeren Taschen ab. Ich atmete ein paar Mal durch, zog die Handschuhe zurecht und steckte den Schlüssel langsam in das Schloss an der dunklen Tür,
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