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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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saßen hinter dem Glas. Die Begleiter der Frauen waren aufgestanden und schauten durch den offenen Teil des Fensters oben auf die Straße. Sie standen über ihre Frauen gelehnt und riefen dem Mann zu, dass sie hier nicht im Dschungel wären. Am Nebenfenster wurde man gerade aufmerksam. Die Männer da deuteten auf den Mann. Hinter ihnen waren ihre Begleiterinnen aufgestanden. Die Männer am offenen Fenster. Sie waren nicht ganz jung. So um die 30. Sie trugen Hemden mit offenen Kragen. Rotgesichtig blondhaarig der eine. Der andere hatte dunkle Haare und blitzende blaue Augen. Im nächsten Fenster. Die Afrobriten. Sie stießen einander an und kicherten. Die zwei Männer im Fenster. Sie hatten richtig Spaß. Die Frauen wollten sie abhalten. Sie hielten ihnen ihre Hände in den Weg, sie zurückzuzerren. Die Männer auf ihre Plätze zurückzuholen. Der blonde Mann hielt die Hand der Frau neben ihm fest in seiner. Ob er nicht ein wenig zu spät sei, fragte er den Mann auf der Straße. Die Eroberung des Kongo sei schon lange vorbei. Oder habe er das jetzt mit den Burenkriegen verwechselt. Der dunkelhaarige Mann begann dem Mann auf der Straße den Weg zu Buckingham Palace zu erklären. Da müsse er hin. Er wolle doch sicher der Königin guten Tag sagen. Die Frauen versuchten die Männer vom offenen Fenster wegzudrängen. Sie lachten dabei. Sie lachten nachsichtig. Herzlich. Am Nebentisch stand ein Mann auf und beugte sich zwischen den beiden Frauen aus dem Fenster. Der Mann auf der Straße trat einen Schritt näher und hielt ihnen seine Hand entgegen. Selma hatte kurz innegehalten. Innehalten müssen. Die zwei Männer fuchtelten mit ihren Armen aus dem Fenster heraus. Sie musste ausweichen. Nahe an dem Mann auf der Straße vorbei. Er roch. Er war von Geruch umgeben. Scharf. Erbrechen auslösend. Und modrig süß. Selma nahm den Mann an der Hand. Sie nahm die linke Hand des Mannes und zog ihn mit sich. »So geht das nicht.« sagte sie. »Das geht so nicht. So kann man das nicht machen. So ist das unmöglich.« Der Mann kam mit. Selma musste ihn erst wegziehen. Wie ein kleines Kind vor dem Zuckerlgeschäft, dachte sie angewidert. Sie war angewidert und angeekelt. Vor diesen Oberleibern aus dem Fenster hängend und ihren Spott treibend. Vor diesem Mann und wie er aussah. Wie er roch. Sie war grantig. Sie fühlte den Grant aufsteigen. Wie kam sie dazu, eine solche Szene. Aber es war unmöglich. Man konnte das nicht so lassen. Sie war grantig. Sie kam sich vor wie ein ganz alter Mann. Misslaunig gegen sich selbst. Sie hatte nur gewollt, dass dieser Mann. Dass die anderen nicht seinen Geruch, und ihre Schmähungen ernst geworden wären. Sie ärgerte sich über sich. Sie riss den Mann hinter sich her. Seine Hand trocken und heiß. Heißer als ihre. Sie hielt ihn fest. Er begann den Druck zu erwidern. Hielt sich fest. Ging mit. Der Mann trottete ein wenig hinter ihr her. Sie ging schnell. Sie brauchten eine Ecke, in der sie in Ruhe. Sie musste herausfinden, was der Mann wollte und ihm dann weiterhelfen. Sebastian kannte sich da sicher aus. Sie liefen dahin. Die Menge auf den Gehsteigen teilte sich um sie. Like the Red Sea, dachte Selma. Sie war wütend auf jede Person, die ihnen Platz machte. »Arschlöcher.« sagte sie laut. Nicht sehen. Nicht berühren. Das würde euch so passen. Sie ging mit Absicht nahe an Leuten vorbei. »Ja, so sind wir.« sagte sie dann. »Stinkig und verkommen. Ihr Arschlöcher. Nur weil euch nichts passiert ist. Das ist einfach.« Sie schimpfte vor sich hin. Sie dachte, sie erfüllte jetzt bald alle Voraussetzungen für eine Strotterin. Wildes ungepflegtes Aussehen und wilde Selbstgespräche. Einen Augenblick hatte sie Lust, es laut zu schreien. Es Leuten ins Gesicht zu schreien. Zwei Polizisten kamen über die Straße gegangen. Sie zerrte den Mann um die Ecke. Eine Straße und dann der Park. Sie hatte eine Hinweistafel gesehen. »Regent’s Park«. »London Zoo«. Sie zog den Mann mit sich. Stand wartend in der Straßenmitte. Sie schaute nach ihm. Er wandte den Blick ab. Ach ja, sagte sie zu sich. Wahrscheinlich vergehen wir vor Frauenverachtung, und es ist eine Schande, mit einer Frau gesehen zu werden. Aber da können wir jetzt auch nichts machen. Sie mussten die Parkgitter entlanggehen. Einen Eingang suchen. Die Gitter schwarz gestrichen. Hoch und lanzenspitz. Sie gingen. Selma wurde unsicher. Sie ließ die Hand des Mannes los. Was machte sie da. Der Park. Hatte der keinen Eingang. Sie stand

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