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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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seit einer Woche nicht mehr verlassen. Mir war natürlich klar, dass es vermutlich nicht besonders clever war, ganz allein wegzufahren, vor allem in der Nacht, aber wann hätte mich »nicht besonders clever« schon jemals abgehalten?
      Es war kein Problem, die Polizeiwache von West Lowing zu finden, obwohl ich vorher noch nie dort war. Es war der einzige Polizeiposten im Ort, untergebracht in einem nichtssagenden kleinen Gebäude, das offenbar früher mal eine Autowerkstatt war. Ärger und Kälte hatten mich vollends wach werden lassen, und als ich vor der Wache parkte, ging ich noch einmal all die wütenden Dinge durch, die ich Dray sagen würde.
      Wenn ich Polizistin wäre, würde ich eine Minderjährige nie an jemanden übergeben, mit dem sie nicht verwandt war, aber vielleicht kannten die Beamten Drays Mutter und hatten Mitleid mit ihr. Jedenfalls erlaubten sie mir, ihre Entlassung zu unterschreiben, und überreichten mir einen Umschlag, der ihre Habseligkeiten enthielt.
      Wir verließen die Wache durch die Glastür und gingen hinaus in die frische Nachtluft.
      »Man sieht sich«, sagte Dray und wollte sich verdrücken.
      Ich schnappte fuchsteufelswild nach dem Ärmel ihrer Jacke. »Du bleibst schön hier. Du lässt mich mitten in der Nacht bei der Polizei antanzen, und das nur, weil du schon wieder bei mir eingebrochen bist? Du gehst nirgendwohin.« Ich schubste sie zum Auto, brachte sie dazu einzusteigen und fuhr ein Stück, bis wir außer Sichtweite der Polizei waren. Dann hielt ich an. Dray gähnte und sah aus dem Fenster. Doch da ich dieses Ist-mir-doch-egal-Getue selbst oft genug durchgezogen hatte, konnte sie mich damit nicht täuschen.
      »Im Ernst, und das nachdem du und dieser Abschaum, den du deine Freunde nennst, schon mal meine Wohnung verwüstet habt?«, rief ich. »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?« »Ich dachte, dass ich einen Platz zum Schlafen brauchte«, fauchte sie und sah dann schnell aus dem Fenster, als hätte sie gar nicht so viel preisgeben wollen.
      Also wollte sie nicht zu ihrer Mutter und war wohl immer noch von ihrem idiotischen Freund getrennt.
      »Wir haben gerade erst das Schloss ersetzt! Ich habe einen ganzen Tag gebraucht, um euren Dreck wegzuräumen!« Mir fiel wieder ein, dass ich an diesem Tag das gruselige Paar wiedergesehen hatte, und da wurde mir bewusst, dass ich für jedermann gut sichtbar auf einer dunklen Straße parkte. Ich
      musste zurück nach River's Edge und genau da hatte ich eine Eingebung. »Du wirst es abarbeiten.«
      Jetzt hatte ich ihre Aufmerksamkeit. »Was?«
      »Du wirst morgen auf der Baustelle erscheinen und dich bei Bill melden«, sagte ich und begeisterte mich immer mehr für diese Idee. »Und du wirst tun, was immer er sagt, bis du abgearbeitet hast, was mich die Schäden gekostet haben. Ungefähr zweihundert Dollar.« Diese Summe war reine Fantasie.
      »Das ist doch scheiße. Das mache ich nicht!«
      Ich startete den Wagen. »Dann fahren wir jetzt zurück zur Wache.«
      Sie versuchte, ihre Wagentür zu öffnen, aber ich war schneller und verriegelte sie von meiner Seite aus. Es war albern und ich fühlte mich wie ein Hilfssheriff. Schließlich gab sie auf. »Dafür hab ich keine Zeit«, sagte sie mürrisch. »Ich muss Schmuck herstellen und so was.«
      »Ich werde deinen Schmuck und so was im Klo runterspülen«, sagte ich knurrend.
      »Das kannst du nicht machen! Luisa mietet den Laden. Wenn sie will, dass ich da bin -«
      »Ich bin die Besitzerin, Dray. Was, wenn ich Luisa sage, dass ich sie nicht mehr in meinem Laden haben will?« Was ich natürlich nicht tun konnte, weil sie schon den Mietvertrag unterschrieben hatte. Aber das wusste Dray vermutlich nicht.
      Dray war sprachlos.
      »Und nur wegen dir.« Ich war echt hart zu ihr, fragte mich aber auch, wie ich wohl noch vor ein paar Jahrzehnten an ihrer Stelle reagiert hätte.
      »Was soll ich für Bill tun?«, fragte sie mürrisch.
      »Was immer er sagt. Fegen. Den Müll rausbringen.« Drays Gesicht versteinerte sich. »Fenster einbauen. Rigipsplatten anbringen. Malen.« Sie wirkte ein bisschen interessierter. »Steine im neuen kleinen Park verlegen. Pflanzen eingraben. Dabei helfen, einen Springbrunnen zu bauen.« Sie sah mich nachdenklich an.
      »Das hört sich ganz okay an. Und was ist, wenn ich die zweihundert Dollar verdient habe, was übrigens viel zu hoch gegriffen ist?«
      »Wenn du gut arbeitest und Bill nicht verärgerst, gehörst du

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