Entfesselt
musste, sollte der Kampf besser in weniger als sechs Minuten entschieden sein. Und mein Gegner ein Sterblicher.
»Nicht besonders ritterlich die beiden, was?«, murmelte Daisuke neben mir. Das verräterische Krachen von gehärtetem Stahl, der auf gehärteten Stahl traf, hatte diverse Zuschauer angelockt. Asher war mit etwas angerannt gekommen, was vermutlich sein eigenes Schwert war. Als ich einen kurzen Blick nach unten warf, fiel mir auf, dass auch Daisuke eines am Gürtel hatte - lang, dünn und leicht gebogen wie ein Säbel.
»Nein«, bestätigte ich. Dies war kein ehrenhafter Kampf mit einer graziös hochgeworfenen Hand und abwechselndem Zustoßen und Parieren. Reyns kantiges Gesicht war hassverzerrt, als er mit aller Kraft auf Joshua einhieb. Er hielt den lederumwickelten Griff seines Schwerts mit beiden Händen fest und die Wucht seiner Schläge ließ seine Arme bis hinauf zu den Schultern erbeben. Die Mordlust in Joshuas Gesicht ließ mich wieder daran denken, wie River ihn vor sehr langer Zeit hatte töten wollen, bevor er so stark wurde wie sie.
»Oh, Göttin, ich wusste, dass das kommen würde.« River sprach sehr leise. Asher griff nach ihrer Hand und hielt sie fest.
»Das hätte nicht passieren dürfen«, sagte ich unglücklich. Mein Magen war vor Anspannung ganz verknotet - ich hatte furchtbare Angst, zusehen zu müssen, wie jemand schrecklich verletzt wurde, doch ich konnte nicht wegsehen.
River seufzte. »Doch, das musste es wohl. Diese Idioten.«
»Und was geschieht danach?«, fragte Brynne. »Tanzt der Sieger dann um den Verlierer herum und ruft: >Ätsch, du hast verlorene?<«
»Ich fürchte, so unschuldig wird es nicht enden«, sagte River. Wenn Leute heutzutage an Krieg denken, stellen sie sich Soldaten vor, die mit Panzerfäusten irgendwo in Deckung gehen, und gewaltige Granaten, die weit entfernt explodieren. Die dazugehörigen Geräusche sind lautes Donnern und das scharfe Knattern automatischer Waffen. Aber den Großteil meines Lebens war Krieg etwas anderes gewesen: das Krachen von Metall auf Metall, brüllende Männer, schreiende Pferde, surrende Pfeile, dumpfe Treffer von Speeren, Brandgeruch.
Was ich hier sah, erinnerte mich daran, was Krieg einst gewesen war: der Kampf Mann gegen Mann. Und das ist ausnahmsweise etwas, von dem ich finde, dass es früher besser war - der Krieg. Er war brutal, blutig, wild und verheerend - aber in einem viel kleineren Rahmen. Die Männer waren sich nahe genug, um zu sehen, wen sie angriffen - nichts von diesem Lenkwaffenmist oder Flugzeugen, die Bomben auf Leute oder Orte abwarfen, die sie nie sehen würden. Wie man merkt, ärgert mich der Zweite Weltkrieg immer noch.
Brynnes erschrockenes Aufschnaufen lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf Reyn und Joshua.
Es floss das erste Blut.
Joshuas Gesicht war halbmondförmig damit bespritzt, aber ich konnte nicht erkennen, wessen Blut es war. Mit lautem Gebrüll fuhr er herum und schmetterte sein Schwert gegen das von Reyn. Mich hätte ein solcher Schlag bis nach Timbuktu befördert, aber Reyn steckte ihn weg, ohne eine Miene zu verziehen, machte ebenfalls eine halbe Drehung und stach mit seiner Klinge zu.
Sie drang direkt in Joshuas Seite ein. Einfach so, zack! Und dann wurde sie sofort wieder herausgezogen.
Alle außer Daisuke schnappten nach Luft.
Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte Reyn geschockt - ein normaler Mensch wäre vermutlich umgekippt -, aber dann knurrte Joshua, hob sein Schwert und der Kampf ging weiter, obwohl die Kleidung der beiden bereits von Joshuas Blut durchtränkt war.
»Kannst du nichts tun, damit sie aufhören?«, flüsterte Brynne River zu.
River sah sie mitleidig an. »Was glaubst du, Süße?«
Zögernd wandte Brynne sich wieder dem Spektakel zu. Ich hatte keine Ahnung, was sie dachte - immerhin hatte sie eine Zeit lang mit Joshua geflirtet, doch jetzt sah sie eine Seite von ihm, die sie vermutlich nie erwartet hatte.
Und so ähnlich ging es mir mit Reyn: Er liebte mich, wollte, dass ich ihn ebenso liebte, und doch hatte er dem Bruder meiner Freundin gerade ein Schwert in den Körper gerammt.
Okay, besagter Bruder war uneingeladen aufgetaucht und hatte es auf diesen Kampf angelegt. Aber dennoch.
Und dann geschah es: Nachdem die beiden eine gefühlte Stunde lang grunzend, röhrend und schnaufend aufeinander eingeschlagen hatten, kam der entscheidende Moment. Irgendwie schafften beide es, durch perfektes
Weitere Kostenlose Bücher