Entfesselt
zum Team und arbeitest mit ihm. Als Tischlerin oder sonst was. Der Vorarbeiter für den Trockenbau ist eine Frau und ihre Nummer eins ebenfalls. Du kannst alles tun, was die beiden auch können.«
Monate zuvor hatte ich ihr geraten, die Stadt zu verlassen, was für mich an ihrer Stelle natürlich die perfekte Lösung gewesen wäre, für sie aber Angst einflößend und vollkommen
unmöglich war. Aber jetzt hatte sie die Möglichkeit, in der Stadt zu bleiben und Geld zu verdienen, ohne kellnern zu müssen. Was sie mit ihrer zickigen Art ohnehin knicken konnte.
Und da sie vermutlich schon in jedem Laden der Umgebung etwas geklaut hatte, würde sie nirgendwo mehr einen Job bekommen. »Ich brauche einen Platz zum Schlafen«, sagte sie so leise, dass ich es kaum hörte.
»Ich lass dich garantiert in keine meiner Wohnungen. Das kannst du vergessen.«
Genervter Gesichtsausdruck. Arrgh. Es war, als würde man ein selbst gedrehtes Video seiner eigenen Vergangenheit ansehen. »Ich denke, du hast zwei Möglichkeiten«, sagte ich. »Eine ist das Frauenhaus und die andere, Luisa zu fragen, ob sie dumm genug ist, dir ein Feldbett im Hinterzimmer ihres Ladens aufzustellen. Was ich an ihrer Stelle übrigens nicht tun würde.«
»Ich bin keine misshandelte Frau.«
»Du brauchst nicht misshandelt zu sein. Nur eine Frau, die einen sicheren Unterschlupf sucht.«
Ich konnte die Gedanken und Argumente, die ihr durch den Kopf gingen, praktisch sehen.
»Okay.«
Ich startete den Wagen und raste zum Frauenhaus, bevor Dray es sich anders überlegen konnte. Als sie ausstieg, blieb ich noch, bis sie ins Gebäude gegangen war. Natürlich wusste ich nicht, ob sie nicht sofort wieder hinausgehen oder morgen tatsächlich bei Bill auftauchen würde. Manche Dinge müssen die Leute selbst in die Hand nehmen und Menschen ändern sich nur, wenn sie wirklich dazu bereit sind.
Ich weiß, ich bin die totale Expertin, stimmt's? Ich hab mein Leben ja so im Griff. Was für eine Ironie.
Dieückfahrt nach River's Edge schien eine Ewigkeit zu dauern - ich war nervös und schaute geradezu besessen immer wieder in den Rückspiegel. Hoffentlich schaffte ich es zurück, ohne dass man mich entführte, verfluchte oder angriff ... Erleichtert bog ich schließlich in die lange Zufahrt ein und versuchte, nicht in den dichten Wald zu starren, der sie auf beiden Seiten säumte. Ein Wald, in dem sich alles Mögliche verbergen konnte. Der Yeti. Werwölfe. Böse Unsterbliche. Ich war so damit beschäftigt, panisch zwischen die Bäume zu starren, dass ich gar nicht merkte, dass das Warnlämpchen für die Motortemperatur angegangen war und sich die Nadel bereits am Anschlag des - oh-oh - roten Bereichs befand.
Es fiel mir erst beim Aussteigen auf. Mist, anscheinend hatte jemand vergessen, Kühlwasser einzufüllen oder so. Dann sah ich die Flammen, die beinahe verspielt unter der Motorhaube herauszüngelten. Oh nein, ich hatte Rivers Auto zerstört! In der Eingangshalle hing ein Feuerlöscher. Ich wollte gerade losrennen und ihn holen ... als das Auto explodierte. Ich wurde von den Füßen gerissen, segelte graziös drei Meter durch die Luft und machte eine wesentlich weniger graziöse Bruchlandung. Während ich noch verständnislos den Kies anstarrte, der so unterwartet unter meinem Gesicht aufgetaucht war, schoss hinter mir ein fünf Meter hoher Feuerball in den Nachthimmel. Ich hatte erst ein paarmal geblinzelt, als im Haus schon die ersten Lichter angingen. Kurz darauf kamen River, Ottavio, Reyn und ein paar andere in ihren Schlafsachen nach draußen gerannt.
»Nastasja!«, rief River und ließ sich neben mir auf die Knie fallen. »Bist du okay?«
Ich nickte oder zumindest fühlte es sich so an. In meinen Ohren schrillte es immer noch und ich hörte ihre Worte so undeutlich, als wäre mein Kopf in Watte gepackt. Jetzt fingen auch meine Wangen, die Handflächen und die Knie an zu brennen. Langsam rappelte ich mich auf und empfing neue Schmerzsignale von überall.
»Was ist passiert?« Das kam von Ottavio.
»Du hast einen ziemlichen Verschleiß an Autos«, bemerkte Asher auf meiner anderen Seite.
Reyn hatte den Feuerlöscher geholt und erstickte damit die Flammen im Motorraum.
Erst da sahen wir die anderen Fahrzeuge, den Farmtruck, das andere Auto und den Geländewagen mit Allradantrieb, den River benutzte, wenn viel Schnee lag. Ihre Motorhauben standen offen, die Motoren waren demoliert und die
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