Entfesselt
Frauen für ihren Zyklus noch keine modernen Hygieneartikel zur Verfügung standen. Jemand schon mal Erfahrungen gemacht mit wiederverwendbaren Tüchern, die gewaschen und getrocknet werden mussten? Oder Büscheln aus trockenem Moos?
Ott hielt es ganze fünf Minuten aus.
Seine ständige Überwachung raubte mir den letzten Nerv.
Aber ich war entschlossen, mir nichts anmerken zu lassen und auch nicht zu River zu gehen und mich über ihren Fiesling-Bruder zu beschweren. Ich ignorierte ihn und lebte mein Leben.
Daniel dagegen ging inzwischen sogar River auf die Nerven. Sie und ich wischten gerade Staub in der Eingangshalle, als er aus ihrem Büro kam, ihr heiliges Hauptbuch in der Hand.
»Was soll das? Was willst du damit?«, fragte River.
Daniel starrte ins Buch. »Was ist das hier?«, fragte er. »Es erschließt sich mir nicht.«
River warf einen Blick ins Buch und sagte: »Das sind die Ausgaben für das Rinderfutter.«
Daniel runzelte die Stirn. »Wieso ist das so teuer? Kraftfutter für Kühe gibt's doch sicher auch billiger, oder?«
Leicht gereizt antwortete River: »Ich bestelle Bio-Futter bei Peter Sorensen. Das ist besser.«
»Bio-Futter? Für Kühe?«
River entriss ihm das Buch mit so finsterer Miene, wie es sich nur eine große Schwester erlauben konnte.
Später am Nachmittag hörte ich, wie Daniel Asher fragte, ob er drei Kostenvoranschläge für die zerbrochenen Fenster eingeholt hatte, wie er vorgeschlagen hatte, und ob es nicht besser wäre, einen sparsamen neuen Farm-Truck zu kaufen, statt den alten zu reparieren.
Als ich Asher mehr als eine Stunde später traf, sah er immer noch genervt aus.
Und Joshua. Wenigstens dieser Bruder blieb eher für sich und redete nicht viel. Anscheinend war er nur als Verstärkung gekommen für den Fall, dass es Ärger gab. Und abgesehen von gelegentlichen misstrauischen Blicken nervte er mich eigentlich recht wenig. Ich sah ihn öfter, wenn er etwas reparierte, die Bäume beschnitt oder das Dach des Hühnerstalls flickte. Er machte sich nützlich. Ich wünschte nur, dass auch Ottavio eine sinnvollere Beschäftigung fand, als mir nachzuspionieren. Zum Glück begann River nach etwa einer Woche, ihre Brüder zum Küchendienst, zur Stallarbeit und allem anderen einzuteilen. Es war wirklich lustig zuzusehen, wie der olle Ott in total unpassender italienischer Sportkleidung Pferdemist schippte. Ich fragte mich, wo wohl der vierte Bruder blieb und wieso er so lange brauchte, um bei uns aufzutauchen und mich ebenfalls zu hassen. Aber niemand erwähnte ihn und ich fragte logischerweise nicht nach.
Aber trotz allem machte ich Fortschritte, schaffte es sogar, durch Wahrsagen herauszufinden, wo das Teufelshuhn neuerdings seine Eier versteckte (sehr ausgebufft eigentlich: in der kleinen Hütte mit dem Heißwasserboiler). Jetzt war es in einer leeren Box im Stall eingesperrt.
In meiner Freizeit begann ich, an meinen Läden zu arbeiten. Nachdem ich erkannt hatte, wie viel Arbeit ich mir damit aufgehalst hatte, musste ich zugeben, dass es echt verlockend war, einen Bulldozer zu mieten und aus dem Ganzen einfach einen Parkplatz zu machen. Aber das hätte keinen guten Eindruck gemacht.
River schlug vor, dass ich zum örtlichen Arbeitsamt gehen und mir Helfer suchen sollte. Also öffnete ich an einem Freitagnachmittag die Glastür und sah mich Männern und Frauen gegenüber, die aussahen, als hätte ihnen jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Was wohl auch zutraf.
»Äh, hey«, sagte ich und ein paar drehten sich sogar zu mir um. »Äh, ist hier jemand Zimmermann? Bauarbeiter? Klempner?« Ich überlegte kurz. »Vielleicht auch Dachdecker? Fußbodenverleger? Elektriker? Oder jemand, der mit Farbe und Pinsel umgehen kann?« Niemand begriff, wie mein »Dad« mir ein solches Projekt ganz allein anvertraute und mir dazu noch unbegrenzte finanzielle Mittel bereitstellte. Aber wenn es darum ging, einen anständigen Lohnscheck zu bekommen oder nicht, ließen sie sich auch von einem verrückten Teenager anheuern.
Ende Februar erklärte mir Bill, ein wettergegerbter Mann, der vermutlich Mitte fünfzig war, aber viel älter aussah, wie es um die Bauarbeiten stand. Er hatte seinen eigenen Schutzhelm mitgebracht, was ich total cool fand.
»Sie brauchen erst einmal einen Plan«, sagte Bill. »Damit Sie den Leuten sagen können, was gemacht werden muss.«
»Plan, alles klar«, entgegnete ich, obwohl ich annahm, dass
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