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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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er damit etwas Detaillierteres meinte als »Bringen Sie alles auf Vordermann«.
      »Als Erstes sind dann das Dach, die Fundamente, die Fenster und die Außenwände dran.«
      Das klang vernünftig. »Okay.«
      »Dann räumen Sie das ganze kaputte Zeugs raus.« Er musterte mich prüfend und sah irgendwie aus wie der Marlboro-Mann mit Bauarbeiterhelm. »Sind Sie sicher, dass Ihr Dad weiß, was Sie hier tun?«
      »Ja«, sagte ich energisch nickend. »Dieses Projekt wird mich ... Verantwortung lehren. Und Planung. Mit Geld umgehen. Und so was..
      »Und er ist Bauunternehmer und Sie haben trotzdem keine Ahnung?«
      »Ich war in der Schule. Und in den Ferien im Kirchenlager. Aber wissen Sie was, Bill? Sie scheinen wirklich etwas davon zu verstehen. Sie sollten der Chef sein und den anderen sagen, was sie tun sollen. Damit sie alles in der richtigen Reihenfolge machen.«
      Bill sah mich an. »Also der Vorarbeiter.«
      Ich fand, das hörte sich gut an. »Genau. Der Vorarbeiter.« »Vorarbeiter werden aber besser bezahlt.« Er schlug sich mit den Arbeitshandschuhen gegen die abgewetzte Jeans, was eine Staubwolke aufsteigen ließ.
      »Okey-dokey.«
      Und so wurde Bill der Typ, an den sich alle wandten. Ich war diejenige, die Mittagessen von Subway holte, einen Vorrat Snickers-Riegel anlegte, auf der Baustelle herumwanderte und immer wieder mit ernstem Nicken »Sieht gut aus« sagte. Ich gewöhnte mir an, vormittags zu lernen und gegen Mittag in den Läden zu sein. Diesmal hatte ich Brownies dabei. Ich dachte mir, wenn ich meinen Leuten Süßes gab, würden sie schneller arbeiten.
      Eine Frau mit glatten maisgelben Haaren sprach mit Bill. Sie gaben sich die Hand und dann zeigte er auf mich. Sie kam zu mir rüber und sah aus wie jemand aus einem Gemälde von Wyeth.
      »Ich bin Mary«, sagte sie. »Subunternehmerin für Trockenbau und Malerarbeiten.« Die Ärmel ihres Jeanshemdes waren hochgerollt bis zu den Ellbogen und enthüllten gestählte Unterarme. Ihre weiße Cargohose war mit unzähligen Farbspritzern übersät.
      »Hi, Mary«, sagte ich und schüttelte ihr die Hand.
      Ohne auch nur den Anflug eines Lächelns deutete sie mit einem Kopfnicken auf eine weitere Frau, die gerade eine einszwanzig mal zweivierzig große Rigipsplatte hereintrug. »Das ist Josie. Wir arbeiten zusammen.«
      Josie sah sich um, als sie ihren Namen hörte, und ich winkte ihr kurz zu. Dabei kam ich mir in meinen Arbeitsstiefeln Größe 37 total fehl am Platz vor. Josie lächelte mich an und ging dann hinaus, um weiteres Material zu holen.
      »Super. Danke«, sagte ich und verzog mich.
      In Gedanken sah ich die ganze Sache in einer Art Videozusammenschnitt, unterlegt mit flotter Musik. Auf ein paar kurze Sequenzen von den Arbeiten folgte sofort das »Nachher«- Bild. Von mir aus konnten auch ein paar kleinere Katastrophen drin sein, wie zum Beispiel Harv, der mit dem Ellbogen durch eine Fensterscheibe gefallen war und genäht werden   musste. Eine Krankenversicherung hatte er natürlich nicht, und - Überraschung - wer durfte die Arztrechnung bezahlen?
      Aber die Bauarbeiten hatten wie jedes andere blöde Ding in meinem Leben keinen Knopf zum Vorspulen. Stattdessen folgte ein Tag auf den anderen und jeder dieser Tage hatte volle vierundzwanzig Stunden.
      Natürlich gab es auch ein paar gute Seiten. Ich konnte zusehen, wie die Läden langsam (und ich meine langsam) renoviert   wurden, was irgendwie Spaß machte. Und da ich so oft in der Stadt war, traf ich Meriwether manchmal sogar mehrmals pro Woche. Das war schön. Sie und Lowell kamen gut miteinander aus und ihr Dad überlegte wirklich, Mrs Philpott ins Kino einzuladen, was uns beide ungläubig, aber auch aufgeregt loskreischen ließ.
      Ich hatte zwar Dray noch nicht wiedergesehen, dafür kamen praktisch alle anderen Einwohner von West Lowing vorbei, um sich anzusehen, was wir machten. Dexter's Ace Hardware erwachte zu neuem Leben, als Bill mich dazu brachte, tonnenweise Material bei ihnen zu kaufen. Außerdem fing ich an, das Mittagessen in Pitson's Delikatessenabteilung zu kaufen. Und Julie Pitson, die Tochter des Eigentümers, nutzte die Gelegenheit, mit neuen Rezepten zu experimentieren. Eigentlich hatte sie nach New York gehen und Chefköchin werden wollen, sich dann aber verliebt und mit neunzehn geheiratet. Und wir Versuchskaninchen mussten jetzt für diese Entscheidung büßen.
      »Was ist das?«, fragte ich misstrauisch und faltete das weiße

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