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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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zu Hause ankam.«
      Das Amulett war warm in meiner Hand. Es war schockierend gewesen zuzusehen, wie seine Kraft missbraucht wurde - und was dann geschehen war. Ich setzte mich in den Schneidersitz. Schockierend war aber auch, Reyn so jung zu erleben, noch nicht verletzt, verbittert und zynisch.
      »Du bist nach Hause gekommen, allein und ohne Vater«, sagte ich. »Wie haben die Leute reagiert?«
      Wieder ein langes Zögern. »Ich war ... ein Wrack, sogar nach diesen drei Monaten. Diese verdammte Verbrennung wollte nicht heilen und fühlte sich an, als würde Säure ein Loch in mein Herz brennen. Meine Mutter hat mir geglaubt, was passiert ist, aber sie war so ... ungebildet. Sie wusste nur, wie man Kleider wäscht oder ein Bett macht.« Er sagte es nicht respektlos - es war einfach eine Feststellung.
      »Außerdem wurde ihr klar, dass sie als Witwe jetzt frei war. Ein paar Leute haben geglaubt, ich hätte alle umgebracht.« Eine Mischung aus Wut und Scham rötete seine Wangen. »Einige fanden auch, dass ich als jüngster und wertlosester Sohn auch hätte sterben oder zumindest wegbleiben sollen. Es war ... eine schlimme Zeit. Ich war voller Trauer, stand immer noch unter Schock und hatte pausenlos Schmerzen. Ich konnte nicht schlafen und kaum essen. Aber um mich herum schmiedeten die Jäger Pläne.«
      So hatten Reyn und ich noch nie miteinander geredet, so offen und ohne dass sich einer von uns in die Defensive gedrängt fühlte. Ich saß reglos da, um den Bann bloß nicht zu brechen. Er fuhr fort: »Etwa eine Woche nach meiner Rückkehr kam meine ungebildete Mutter zu mir - wütend. Sie sagte: >Du bist der Anführer dieses Clans und liegst jammernd herum wie ein Weib? Siehst du denn nicht, wie die Wölfe dich bereits umkreisen?< Ich habe sie nur verständnislos angesehen. >Dein Vater war wach, wenn er wach war<, fuhr sie fort. >Und er war wach, wenn er schlief. Kein Insekt konnte sein Land durchqueren, ohne dass er es wusste. Und jetzt rotten sich deine Cousins vor deiner Nase zusammen, um dich zu töten, und du tust gar nichts!<«
      Reyn lächelte verlegen. »Ich glaube, sie hat mich mit etwas geschlagen, mit ihrem Hausschuh. Sie hat ihn mir an den Kopf geknallt. Also stand ich auf und versuchte, nicht krank auszusehen. Als ich mein Zelt verließ, erkannte ich sofort, was meine Mutter meinte. Mein Vater war sehr lange unser Anführer gewesen und meine Mutter hatte recht - er wusste immer, was in seinem Reich passierte. Ich dagegen hatte mein ganzes Leben vor mich hin gelebt, denn als vierter Sohn kam ich als Erbe nicht infrage. Deswegen hatte ich von nichts eine Ahnung. Aber inzwischen war ich ein erwachsener Mann und unerwartet zum Erben meines Vaters geworden. Ich schritt also durchs Lager, setzte eine strenge Miene auf und am Ende des Tages war mir klar, dass ich zwei Möglichkeiten hatte: Entweder konnte ich hervortreten und der wahre Anführer werden mit allem, was dazugehörte, oder ich musste meine Sachen packen, ein Pferd stehlen und so schnell wie möglich für immer verschwinden. Wenn ich nichts tat, hätten sie mich umgebracht, vermutlich innerhalb der nächsten zwei Tage.«
      Ich dachte immer, dass mein Leben nicht gerade ein Picknick war. Ich war schon in einigen grässlichen Situationen gewesen. Und an einigen war die Augenweide schuld, die gerade neben mir auf dem Bett saß. Ich war arm gewesen, halb verhungert, der Gnade eines Mannes ausgeliefert - und das mehr als einmal. Und natürlich war da noch der Verlust meiner Familie.
      Meines ersten Ehemanns. Meines ungeborenen Kindes. Und später hatte ich dann auch noch meinen Sohn verloren, den süßen kleinen Bear. Ich hatte das Gefühl, dadurch hart geworden zu sein, als hätte ich einen Panzer um mich herum, den fast nichts durchdringen konnte. Als ich jetzt von Reyns Qualen hörte, merkte ich, dass ich zwar Teile seiner Geschichte gekannt hatte, sie mir aber nicht real vorgekommen war. Jedenfalls nicht so real wie meine eigene Vergangenheit. Aber sie durch seine Augen zu sehen, machte sie furchtbar real. In diesem Moment empfand ich tatsächlich ... Mitgefühl mit einem anderen Menschen.
      »Wie hast du dich entschieden?«, fragte ich.
      »Oh, ich hätte mich gern selbst in die Verbannung geschickt. Ich taugte nicht zum Anführer.« Reyn sah mich nicht an. »Als mir klar wurde, was es bedeutete, den Clan anzuführen, war ich verzweifelt. Ich hatte nie geahnt, wie wachsam mein Vater war und dass er ständig Pläne schmiedete und

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