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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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mich mit meinem Namen. Ich sah einen verbeulten Toyota am Bordstein halten. Ein Typ kletterte raus und zog vor Anne und mir seinen Helm. Dann öffnete sich die andere Tür und eine Frau stieg aus, eine Lunchbox aus Blech in der Hand.
      »Alan!«
      Der Typ blieb stehen, nahm sein Essen in Empfang und küsste die Frau mit einem verlegenen Lächeln. Aus der Nähe betrachtet sah ich, dass die beiden sicher nicht älter als zwei- oder dreiundzwanzig waren. Die Frau sah ihm mit glänzenden Augen hinterher. Dann fiel ihr Blick auf mich.
      »Sind Sie diejenige, die das hier macht - als Schulprojekt oder so?«
      »Oder so«, bestätigte ich.
      »Also, das ist total cool«, sagte die junge Frau. »Und ich schwöre: Genau an dem Tag, an dem ich mir eingestehen musste, dass wir nur mit Lebensmittelmarken überleben würden, kam Alan nach Hause und sagte, dass er einen Job hat.« »Ah«, machte ich und merkte, wie die Alarmglocken zu klingeln begannen.
       »Es war, als hätte Gott seine Hand ausgestreckt, um uns zu helfen.«
      Oh nein. »Oh, schön«, sagte ich schwächlich und spürte genau, wie Anne mich ansah.
      »Gott segne Sie«, sagte sie auf dem Weg zur Tür. »Ich werde Sie in meine Gebete einschließen, da können Sie ganz sicher sein.«
      »Oh. Okay. Danke.«
      Dann verschwand sie zum Glück und ich atmete auf. »Das ist wirklich hart«, stellte Anne fest und ich sah mich zu ihr um, dankbar, dass sie wusste, wie ich mich fühlte. »Die heilige Nastasja zu sein.«
      »Wie fies«, sagte ich und schlug ihr angewidert auf den Arm.
      Lachend verzog sie sich in den hinteren Teil des Ladens. »Ich schau mich mal auf dem Rest der Baustelle um.«
      »Bitte tu das«, rief ich gereizt. »Bitte geh und sieh dir alles an.«
      Ich konnte sie immer noch kichern hören, als ich mich an meinen kleinen Tisch am Fenster setzte.
      Gestern hatte ich beschlossen, das leere Nachbargrundstück zu kaufen, auf dem jetzt der Container stand. Es war nicht sehr groß, aber ein richtiger Schandfleck mit einzelnen Betonresten, drei Steinstufen, die nirgendwohin führten, Unkraut, das durch die Risse wucherte, und Müll, den die Leute dort entsorgt hatten. Wenn ich es kaufte, konnte mein Riesenarbeitertrupp es freiräumen und den Beton herausstemmen. Dann würde ich einen kleinen Garten daraus machen, so einen, wie River ihn beschrieben hatte, und dann hätten die Leute wenigstens ein nettes Plätzchen, um sich hinzusetzen, ohne auf die sterbende Main Street hinausstarren zu müssen.
      Ich hängte mich ans Telefon und wählte die Nummer, die auf dem uralten Verkaufsschild stand, das schon halb im Schlamm versunken war.
      Es war fast Mittag, als ich endlich die richtige Person am Telefon hatte, und als ich schließlich auflegte, fühlte ich mich, als hätte mir eine Python den letzten Nerv zerquetscht. Eine Python, die aggressiv darum kämpfte, ihr Verkaufssoll zu erfüllen.
      Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, schloss die Augen und massierte meine Schläfen. Anne war nicht wieder aufgetaucht und ich fragte mich, wo sie wohl steckte.
      Als ich schließlich mit einem Seufzer die Augen öffnete, stand Joshua mit einem Hammer über mir.
      Mein Herz raste los. Hatte jetzt mein letztes Stündchen geschlagen?
      »Joshua«, sagte ich möglichst gleichmütig, denn ich wollte keine Angst zeigen. Was wohl nicht so gut klappte, da mir die Augen beinahe aus dem Kopf fielen. »Was machst du hier?« Er hob den Hammer ein wenig an. »Ich komme zum Arbeiten.« »Dann ... kennst du dich mit Tischlerarbeiten aus? Oder anderen Handwerksarbeiten?«
      »Ja.«
      »Mein Vorarbeiter ist ein Typ namens Bill. Er sieht aus wie der Marlboro-Mann mit einem Bauhelm. Er wird dir sagen, was zu tun ist.«
      Joshua nickte knapp und dann sah ich ihm nach, wie er in die Richtung verschwand, in der im Moment am meisten gebaut wurde. Er war groß, kräftig und schlank, genau wie Reyn. Ich fragte mich, wie oft sich die beiden wohl auf dem Schlachtfeld gegenübergestanden hatten. Und was er sonst noch gemacht hatte. Er war zwar in den Erinnerungen aufgetaucht, die River mit mir geteilt hatte, aber da war er ganz anders gewesen - ich konnte ihn kaum mit dem heutigen Joshua in Einklang bringen. Nun, in tausend Jahren kann auch so einiges   passieren. Irgendwie war es komisch, dass sich die aufgeschlossene, lebensfrohe Brynne mit ihrer Teenie-Model-Schönheit von ihm angezogen fühlte.
      An diesem Tag bestand das Mittagessen aus

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