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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Hand vor dem Mund.
      »Besser als Annes Mokka-Schichttorte?«, fragte ich unschuldig.
      »Oh, die - ja, in die würde ich mich am liebsten reinlegen. Aber das hier war auch verdammt gut.«
      Ich schaute über sie hinweg. »Ja, Joshua?«
      Brynne erstarrte, die Augen weit aufgerissen.
      »Josés Jungs lassen fragen, ob du einen Geist aus Wohnung C vertreiben kannst«, sagte Joshua, ohne eine Miene zu verziehen.
      Mit kaum wahrnehmbaren Bewegungen deutete Brynne an, wie gern sie mich jetzt erwürgt hätte.
      »Ein Geist?« Das war mal etwas Neues.
      Joshua nickte und ich stand auf. »Komm mit, Brynne. Wenn du dich fürchtest, darfst du gern meine - au!« Ich hopste ein Stück weg und rieb mir das Schienbein, gegen das mich Brynne gerade getreten hatte. Das Mädchen hatte eindeutig ein Aggressionsproblem.
       Die Zugänge zu den Wohnungen lagen auf der Rückseite. Über eine Treppe gelangte man auf den Balkon, der an der ganzen Rückwand entlanglief. Oben fand ich José und seine Arbeiter. Mehrere von ihnen aßen hastig ihre Quesadillas auf und erhoben sich.
      »Was gibt's?«, fragte ich José auf Spanisch.
      »Hay un fantasma«, sagte José und ein paar der Arbeiter nickten ernst.
      Ich sah Joshua an. Er zuckte mit den Schultern: Kann sein, kann aber auch nicht sein.
      »Que tipo de fantasma?«, fragte ich. Was für eine Art Geist? »Una mujer, senorita.« Eine Frau.
      »Que dijo?« Was hat sie gesagt?
      José und die Männer tauschten einen Blick.
      »Ella dijo que queria a la mujer con el pelo de nieve.« Sie hat gesagt, dass sie die Frau mit den Schneehaaren will. »Oh-oh«, sagte Brynne und ich spürte einen kalten Luftzug. »Erzähl mir mehr«, verlangte ich betroffen.
      ***
    »Ich dachte, die Baustelle wäre geschützt«, sagte ich am Abend zu River.
      »Ist sie auch«, versicherte sie mir. »Definitiv. Das ist sehr merkürdig.«
      »Was du nicht sagst«, schnaubte ich und schenkte mir noch mehr Mittwochswein ein.
      Ob Unsterbliche an Geister glauben? Klar tun wir das. Wir sind doch nicht blöd.
      »Was hat sie noch gesagt?«, wollte River wissen.
      »José sagt, dass das alles war«, schaltete sich Joshua ein und tauchte ein Stück Brot in seine Erbsensuppe.
      »Was weißt du denn darüber?« Also, das war eindeutig nicht nett gemeint und es kam von Reyn.
      Joshua drehte betont langsam den Kopf, bis er und Reyn sich ansahen. Ich kann zwar nur für mich selbst sprechen, aber ich vermute, dass auch alle anderen fest damit rechneten, dass Joshua Reyn zum Teufel schickte. Ich hielt den Atem an und wartete darauf, dass einer oder beide aufsprangen und sich an die Kehle gingen.
      »Ich war im Nebenraum und habe gestrichen«, sagte Joshua. Seine Stimme klang gleichmütig, aber die Fäuste waren so fest geballt, dass die Knöchel ganz weiß wurden. »José hat mich gebeten, Nastasja Bescheid zu sagen. Er dachte, dass sie ihm nicht glauben würde.«
      »Aber dir würde sie glauben?«, höhnte Reyn. River legte ihm eine Hand auf den Arm und er fuhr ein wenig zusammen. Er sah sie an, sofort wachsam, aber auch verlegen.
      »Die Gebäude sind doch eigentlich noch gar nicht alt genug für Geisterstorys«, durchbrach Anne das peinliche Schweigen. »Wer der Geist wohl ist?«
      »Wenn es überhaupt ein Geist ist«, meinte Solis. »Vielleicht ist es jemand, der es auf Nastasja abgesehen hat und nur so tut, als wäre er ein Geist. Oder er tut nicht einmal so - aber die Arbeiter können ihn sich nur als Geist vorstellen.«
      »Und du hast nichts gefühlt?«, fragte Asher mich.
      »Ich habe einen kalten Luftzug gespürt«, sagte ich. »Aber das kann auch daran gelegen haben, dass es so gruselig war.
       Ich bin dann noch eine Weile geblieben und durch jedes Zimmer gegangen, aber ich habe nichts gesehen oder gespürt.«
      »Hm«, sagte River und machte ein nachdenkliches Gesicht. Am nächsten Tag kamen sie, Asher und Anne mit mir auf die Baustelle und untersuchten jeden Zentimeter. Sie versuchten es sogar hinter geschlossenen Türen mit einem Enthüllungszauber. Aber auch sie fanden und spürten nichts.
      Der Rest der Woche verlief geisterfrei und ich kehrte wieder an meinen Klapptisch im Schaufenster zurück. An einem war ich noch mit dem Ausstellen der Lohnschecks beschäftigt, als die meisten Arbeiter schon gegangen waren. Da tauchte José bei mir auf, die Baseballkappe in der Hand.
      »Oh-oh«, sagte ich und suchte in seinem Gesicht nach Hinweisen auf eine neue

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