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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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gesehen oder von dem ich gehört hatte. Aber ich erinnerte mich auch vage daran, was mein Vater über die fünf schwarzen Bären auf dem Familienwappen gesagt hatte - dass sie die fünf Brüder repräsentierten. Vielleicht meinte er damit fünf Brüder vor seiner Zeit oder vielleicht hatte er einst vier Brüder gehabt. Was hatte Geir gesagt? Dass er der Einzige war, der übrig geblieben war? Die Erinnerung war verschwommen. Es war einen ganzen Haufen Lebzeiten her. Logischerweise. Und ich war damals ... wie alt? Ungefähr sieben.
      »Als ich eben Sorrel geputzt habe, musste ich an die Pferde meines Vaters denken und wie mein Vater mit Onkel Geir und seinen Männern weggeritten ist. Er kam ohne ihn wieder nach Hause und sagte, Geir wäre von einer Klippe gestürzt.«
      River hörte aufmerksam zu wie immer, die Augen unverwandt auf mein Gesicht gerichtet.
      »Ich habe immer gedacht, dass Onkel Geir vor vierhundertfünfzig Jahren getötet wurde. Und dass er mein letzter Onkel war. Was vermutlich stimmt. Aber ... was, wenn er nicht tot genug war? Zum Beispiel, wenn Faöir ihm nur die Kehle durchgeschnitten, ihm aber nicht den Kopf abgeschlagen hat, bevor er von der Klippe gestürzt ist?« Ja, von dieser Familie stamme ich ab. »Und er war nicht ganz tot, verstehst du?«
      River nickte bedächtig.
      »Eine Heilung würde lange dauern, vielleicht sogar Jahre.
      Und bevor er zurückkommen konnte, um sich zu rächen, waren außer mir ohnehin schon alle tot«, sagte ich. »Oder - was, wenn er nicht der letzte Onkel war? Ich habe keine Ahnung, ob es noch andere gab und ob oder wann sie getötet wurden.« »Aber hätten sich Geir oder ein anderer Bruder nicht in den letzten vierhundert Jahren bemerkbar gemacht und den isländischen Thron für sich beansprucht?«, fragte River. »Die ganze Welt hat doch geglaubt, dass das gesamte Haus von Island ausgelöscht worden ist. Niemand hat gewusst, dass es eine Überlebende gab. Geir hätte doch bestimmt versucht, die Macht an sich zu nehmen.«
      »Hm. Ja, schon«, gab ich zu. »Das hätte er bestimmt. Mir fällt kein Grund ein, wieso er das nicht tun sollte. Ich weiß nicht - es war einfach nur ein verrückter Gedanke und dann musste ich auch noch an meine Vision von dieser Prozession denken die ich beim Zirkel hatte. Ich weiß auch nicht, was ich davon halten soll. Aber du hast recht - wenn noch jemand überlebt hätte, hätte er längst die Macht an sich gerissen.« Ich seufzte und lehnte mich gegen die Wand. »Ich möchte einfach nur wissen, wer hinter all dem steckt«, sagte ich kleinlaut. »Könnte es nicht tatsächlich jemand sein, den wir alle für tot halten? Vielleicht jemand aus dem Russischen Haus? Oder dem Haus in Libyen? Aber wieso sollten sie gerade jetzt alle angreifen? Ich versteh das nicht.. Ich zupfte frustriert am Saum meiner Bettdecke.
      »Ich weiß«, sagte River. »Ich denke auch kaum noch an etwas anderes, versuche nur noch, es herauszufinden. Ich habe getan, was ich kann, um zu enthüllen, wer dahintersteckt -« Und wieder schoss mir dieser grelle, unwillkommene Gedanke durch den Kopf, dass meine Magie den Schutzzauber unwirksam gemacht hatte. Und vielleicht auch diverse andere Beschwörungen. Vielleicht reichte meine Anwesenheit - oder die Existenz meines Amuletts - schon aus, um die Magie in der ganzen Gegend entgleisen zu lassen.
      »Was hast du?«, fragte River.
      Ich schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich überdenke nur verschiedene Theorien..
      Wenn sie genauer nachfragte, würde ich garantiert nach dreißig Sekunden einknicken und alles gestehen. Ich hasste es, sie anzulügen - mein Leben war viel einfacher, seit ich keine lange Liste mit Lügen mehr mit mir herumtrug. Ich holte schon Luft, ihr alles zu beichten, als jemand unten an der Haustür klingelte. Das geschah fast nie - wir bekamen nur selten Besuch
      und der Briefkasten war am Anfang der Einfahrt, also weit vom Haus.
      Lorenz rief nach oben: »Nastasja! Paket für dich!«
      River und ich sahen uns verdutzt an. »Hast du dir Schuhe bestellt?«
      »Schön wär's.«
      Auf dem Dielentisch im Erdgeschoss stand ein mittelgroßer weißer Karton. Lorenz' krakelige Unterschrift zeigte an, dass er dem Paketboten die Lieferung quittiert hatte.
      »Ist schwer«, stellte ich fest, als ich den Karton anhob. »Keine Ahnung, von wem das kommt - der Absender ist ganz verschmiert.«
      »Warte -«, sagte River. Sie trat rasch näher, schloss die Augen und fuhr mit den Fingern über

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