Entflammte Herzen
gefallen.«
Der Doktor schien nun endlich zu erwachen und rappelte sich auf. Er trug ein Flanellnachthemd mit Sockenhaltern an den Armen, sein graues Haar war vollkommen zerzaust, und er tastete verwirrt nach seiner Brille. »Es hat jemand auf ihn geschossen?«
Kade schüttelte ungeduldig den Kopf und deutete mit dem Gewehr zur Tür. »Ich glaube, es war ein Herzanfall oder so etwas. Es geschah ganz unversehens - er fiel einfach aus dem Sattel.«
Boylen seufzte und nahm im Vorbeigehen seinen alten Arzt-koffer von der Kommode. »In letzter Zeit hat John sich zu viel zugemutet. Er ist zu alt für diesen Posten. Und auch für diese temperamentvolle Frau, die er da hat.«
»Ich wäre Ihnen dankbar, Doc«, meinte Kade, während er hinter dem Arzt herging und ihn zu einer etwas schnelleren Gangart anzutreiben versuchte, »wenn Sie aufhören würden zu reden und etwas Sinnvolleres täten.«
Der Doc lachte und schaffte es nach jahrelanger Übung mühelos, sich den Weg die dunkle Treppe hinunter zu ertasten. Kade hatte in der Praxis schon eine Lampe angezündet, nachdem er John auf den Untersuchungstisch gelegt und ihn rasch mit seinem eigenen, schmutzbedeckten Mantel zugedeckt hatte.
»Laufen Sie hinüber und holen Sie Becky«, befahl der Doc, als er eins von Johns Lidern anhob und einen Blick darunter warf, während er mit der anderen Hand seine Tasche öffnete und darin nach seinem Stethoskop kramte. »Sie wird uns allen den Kopf abreißen, wenn Sie es nicht tun.«
Kade wollte protestieren, sah dann aber ein, dass Boylen Recht hatte, und stürmte mit großen Schritten aus dem Haus. Das »Arizona Hotel« lag nur einen Block weiter unten an der Straße, und es war kein Licht mehr im Haus zu sehen, außer einem schwachen Schimmer im Foyer.
Becky Fairmont erschien fast augenblicklich, nachdem Kade sie vom Fuß der Treppe aus gerufen hatte. Ihr langes dunkles Haar fiel ihr offen über den Rücken, ein spitzenbesetzter Morgenrock bedeckte ihren schlanken Körper. Aus dieser Entfernung wirkte sie viel jünger, als sie war, und ihre Augen waren groß vor Schreck.
»Ist etwas mit Emmeline?«, fragte sie, und selbst aus der Entfernung konnte Kade sehen, dass sie mit angehaltenem Atem auf die Antwort wartete.
»Ich komme wegen John«, gab Kade zurück. »Er ist auf dem Weg zurück zur Stadt vom Pferd gestürzt. Er ist jetzt drüben bei Doc Boylen.«
Becky stieß einen kleinen Schrei aus und schlug etwas verspätet eine Hand vor ihren Mund. Aber sie erholte sich sehr schnell und fuhr herum, um in ihr Zimmer zurückzulaufen, aus dem sie nur wenige Minuten später schon wieder herauskam, in einem falsch zugeknöpften grünen Kleid, das lange Haar noch immer offen. Wie ein Windstoß sauste sie an Kade vorbei zur Tür.
»Herzanfall«, meinte Doc Boylen statt einer Begrüßung, als Kade und Becky in die Praxis stürzten. John lag blass und reglos auf dem Untersuchungstisch, und einen schrecklichen Moment lang dachte Kade, sein Freund sei von ihm gegangen, ohne dass er Gelegenheit gehabt hatte, John Lewis zu sagen, wie sehr er ihn bewunderte.
Becky lief zu John und nahm zärtlich seine Hand in ihre. »John Lewis!«, rief sie. »Hör mir zu! Wage es ja nicht, mir so einfach wegzusterben!«
Es schien fast so, als zuckte Johns linkes Augenlid, doch vielleicht sah es im flackernden Lampenschein auch nur so aus.
»Was können wir tun?«, wollte Becky von dem Arzt wissen.
»Nicht viel«, erwiderte der Doc, der alt und traurig aussah. »Er lebt noch, aber wirklich nur gerade noch.«
Es erinnerte Kade an Emmeline, wie Becky plötzlich ihre Schultern straffte, tief durchatmete und dem Arzt dann ruhig in die Augen sah. »Können wir ihn ins Hotel hinüberbringen?«
»Morgen vielleicht«, erwiderte der Doc. »Er sollte nicht mehr bewegt werden als nötig. Er ist einmal zu sich gekommen, weil er offensichtlich große Schmerzen hatte, und ich habe ihm eine Dosis Morphium gegeben; trotzdem hat er wieder das Bewusstsein verloren. Es ist jedoch leider nicht vorauszusagen, ob er durchkommt, Becky, und das ist traurig, aber wahr.«
Tränen glitzerten in Beckys Augen, und Kade wäre jede Wette eingegangen, dass sie einer inneren Quelle der Entschlossenheit entsprangen und nicht nur einfach Schmerz und Kummer. Sie legte ihre Stirn an Johns und nahm ihn in die Arme.
»Du wirst nicht von uns gehen«, befahl sie ihm. »Hörst du mich, John Lewis? Du bleibst bei uns, am Leben, hörst du?«
John gab einen Laut von sich, der halb ein Gurgeln,
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