Entflammte Herzen
in Erwägung, sich noch eine zweite Portion Hähnchen zu bestellen, da die erste ihn praktisch überhaupt nicht gesättigt hatte. Es gab fast nichts, was seinen Appetit zu beeinträchtigen vermochte, nicht einmal Gespräche über Schießereien und Weidekriege.
»Er ist mit einigen Männern draußen, um Zäune zu flicken und verirrtes Vieh zusammenzutreiben«, erwiderte Emmeline. Für einen winzigen Moment erschien ein etwas wehmütiger Ausdruck in ihren Augen, der jedoch im Handumdrehen wieder verschwunden war. Kade fragte sich, ob es trotz ihres offensichtlichen Wohlbefindens nicht vielleicht doch noch Probleme zwischen ihr und seinem Bruder gab.
»Und du bleibst in der Stadt?«, wollte Kade mit einem aufmunternden Lächeln von ihr wissen. »Was ist mit diesem wunderbaren Haus, das Rafe auf der anderen Seite des Bachs für euch gebaut hat? Steht es etwa leer in diesen Tagen?«
Emmeline schüttelte den Kopf und sah plötzlich erschreckend müde aus. Kade war beunruhigt; falls Emmeline ein Kind erwartete, würde Rafe nun sicher endgültig die Kontrolle über die Triple M gewinnen. Und obwohl Kade wirklich sehr gern Onkel würde, wollte er doch zunächst einmal ein Vater sein. Ein Vater mit einem Erbe, das er seinen Kindern hinterlassen konnte.
»Becky war mit John Lewis für eine Woche oben in Flagstaff«, berichtete Emmeline, »deshalb habe ich Clive und Schwester Mandy in der Zwischenzeit geholfen, das Hotel zu führen.« Becky Fairmont, auch bekannt als Becky Harding - was ganz und gar von ihrer Stimmung und der jeweiligen Phase des Mondes abhing -, war Emmelines Mutter, und John Lewis, der Marshal der Stadt, war ihr Verehrer. Die beiden hatten die in Indian Rock geltende Auffassung von einer gesitteten Gesellschaft regelrecht ins Wanken gebracht, so wie sie sich benahmen; die Damen in der nigelnagelneuen Kirche unten an der Straße mussten sich ja geradezu verpflichtet fühlen, noch mehr Zeit mit Tratschen zu verbringen als mit Beten und mit Hymnensingen. Nur gut, dass keine dieser Damen das Familiengeheimnis kannte, nämlich dass Becky Bordellwirtin in Kansas City gewesen war, bevor sie das Hotel eröffnet hatte!
Jeb stieß einen tief empfundenen Seufzer aus, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Er sah genauso schäbig und verwahrlost aus, wie Kade sich fühlte, da er dringend einen Kamm, ein Bad und eine Rasur benötigte, und er roch auch nicht viel besser als ein Maulesel nach einem harten Arbeitstag. »Ich reite morgen zur Triple M«, sagte er zu Emmeline. »Ich borge mir gern einen Wagen vom alten Billy aus und fahr dich hin.«
Er versuchte unaufhörlich, Frauen zu bezaubern, dieser Jeb, und es schien ihm dabei absolut nichts auszumachen, ob sie schon einem anderen Mann gehörten. Kade biss die Zähne zusammen und unterdrückte eine Bemerkung, die wahrscheinlich wirklich besser ungesagt blieb.
»Wie du mich an jenem ersten Tag zur Triple M begleitet hast, als ich in Indian Rock ankam«, erinnerte sich Emmeline mit einem kleinen Lachen, das sehr dazu beitrug, Kades niedergedrückte Stimmung ein wenig zu heben. Sie schüttelte den Kopf, weil sie vermutlich gerade daran dachte, wie sie in Arizona angekommen war: in dem festen Glauben, wirklich und wahrhaftig mit einem Mann verheiratet zu sein, der soeben gerade durch die Türen des »Bloody Basin« geflogen und direkt vor ihren Füßen liegen geblieben war. Ihre erste Begegnung mit Rafe hatte ihr die Augen geöffnet, sogar für westliche Verhältnisse. »Ich weiß noch, wie ich mir wünschte, ich hätte mich verpflichtet, dich zu heiraten und nicht deinen Bruder.«
»Das«, erwiderte Jeb mit dem für ihn typischen schiefen Grinsen, »war deine Vernunft, die da gesprochen hat.«
Und dann wurde plötzlich auf der Straße Lärm laut, das Klappern von Pferdehufen auf dem harten Boden, das Ächzen von Sattelzeug und die Stimmen von Männern, die sich lauthals miteinander unterhielten.
»Da ist er«, verkündete Emmeline, aber sie hätte es nicht einmal zu erwähnen brauchen, denn allein an der Art, wie sie aufsprang, ganz strahlend vor lauter Glück und Aufregung, hätte Kade erkannt, dass Rafe zurückgekommen war. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als eine Frau zu haben, die sich so sehr auf ihn freute, doch langsam begann er die Hoffnung zu verlieren, dass dieses Glück ihm je beschert sein würde.
Rafe stürmte in das Hotel, als gehörte es ihm, und brachte den eisigen, mit Schnee vermischten Wind und neun oder zehn
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