Entflammte Nacht
Gewicht nach hinten. Sie war nicht so kräftig wie einer dieser sportlich ambitionierten Dandys mit ihren Phaetons, aber sie wog vermutlich etwa genauso viel.
Der plötzliche Zug ließ die Pferde langsamer werden und zuerst in einen Galopp und dann einen gemächlichen Trab fallen. Ihre schweißüberströmten Flanken hoben und senkten sich schwer.
Alexia entschied, dass es keinen Sinn hatte, ganz anzuhalten, deshalb lenkte sie die Pferde weiter in Richtung der Stadt. Es war vermutlich besser, so schnell wie möglich die relative Sicherheit des Tempels zu erreichten, für den Fall, dass der Rest des Hauses, zu dem der Vampir gehörte, ebenfalls hinter ihr her war.
Endlich holten sie zwei der berittenen Templer mit hübsch im Wind flatternden weißen Nachthemden ein. Sie bezogen zu beiden Seiten der Kutsche Stellung und bildeten eine Eskorte, ohne Alexias Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen oder sie überhaupt nur anzusehen.
»Denken Sie, wir könnten kurz anhalten und nach Madame Lefoux sehen?«, fragte Alexia, erhielt jedoch keine Antwort. Einer der Männer sah sie tatsächlich an, doch dann wandte er sich ab und spuckte aus, als wäre sein Mund voll von etwas Widerwärtigem.
Ungeachtet der Angst um das Wohlergehen ihrer Freundin entschied Alexia, dass es vermutlich am wichtigsten war, in Sicherheit zu gelangen. Verstohlen warf sie ihren zwei berittenen Begleitern mit den versteinerten Mienen einen Blick zu. Nichts. Also zuckte sie die Schultern und trieb die Pferde mit einem Zungenschnalzen zu einem etwas flotteren Trab an.
Ursprünglich waren sie von vier berittenen Templern begleitet worden. Sie nahm an, dass sich einer der beiden anderen um den aus der Kutsche gestürzten Präzeptor kümmerte und der andere hinter dem Vampir und dem Werwolf herjagte.
Alexia fragte sich, ob dieser weiße Werwolf wohl dasselbe Geschöpf war wie das, das sie vom Ornithopter aus gesehen hatte, die weiße Kreatur, die die Vampire auf Monsieur Trouves Dach attackiert hatte. Diese eisblauen Augen hatten etwas fürchterlich Vertrautes an sich. Auf einmal wurde ihr klar, dass der Werwolf, die weiße Kreatur und der Mann mit der Maske in den Boboli-Gärten ein und dieselbe Person waren und dass sie diesen Mann kannte. Ihn kannte und ihn selbst unter den besten Umständen nicht besonders mochte: Es handelte sich um den arroganten Gamma ihres Ehemannes, Rang-Dritter des Woolsey-Rudels, Major Channing Channing von den Chesterfield Channings.
Alexia kam zu dem Schluss, dass sie eindeutig zu lange inmitten eines Werwolfsrudels gelebt hatte, wenn sie ihn mitten im Kampf in Wolfsgestalt identifizieren konnte, wohingegend sie ihn zuvor als maskierten Gentleman nicht erkannt hatte.
»Er muss mir schon seit Paris gefolgt sein und mich beschützt haben!«, sagte sie laut zu den gleichgültig wirkenden Templern, und ihre Stimme schnitt klar durch die Nachtluft.
Sie schenkten ihr keine Beachtung.
»Und natürlich konnte er uns in jener Nacht auf dem Alpenpass nicht helfen, weil Vollmond war!«
Alexia wunderte sich, warum der Gamma ihres Mannes, den weder sie noch Conall besonders gut leiden konnten, innerhalb der Grenzen Italiens sein Leben riskierte, um sie zu beschützen. Kein Werwolf, der nur halbwegs bei Verstand war, würde freiwillig den Fuß in diese Hochburg des Hasses auf Übernatürliche setzen. Andererseits war es – zumindest Alexias Meinung nach – ziemlich fraglich, wieviel Verstand Channing überhaupt hatte. Es gab nur eine einzige mögliche Erklärung dafür: Channing beschützte sie, weil Lord Conall Maccon dies angeordnet hatte.
Natürlich war ihr Herr Gemahl ein gefühlloser Trottel, denn er persönlich hätte sie beschützen müssen. Und natürlich war er auch ein ärgerlicher Schwachkopf, weil er sich in ihre Angelegenheiten mischte, wo er sich doch so viel Mühe gegeben hatte, ihre Angelegenheiten von seinen zu trennen. Doch es bedeutete auch, dass er immer noch genug für sie empfunden hatte, um knurrend für ihre Sicherheit zu sorgen, noch bevor er die Entschuldigung in Druck gegeben hatte.
Er musste sie immer noch lieben!
Ich glaube, er könnte uns tatsächlich zurückhaben wollen, sagte sie dem ungeborenen Ungemach mit einem schwindeligen Gefühl der Freude.
14
… in welchem das ungeborene Ungemach für beträchtlich mehr Ungemach sorgt
B iffy war endlich eingeschlafen, und Professor Lyall konnte es sich erlauben, es ihm gleichzutun. Unter dem wachsamen Blick von Tunstell und auch Mrs. Tunstell fühlte
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