Entflammte Nacht
Maccons Botschaft deutete an, dass seine Gegenwart erwünscht sei.« Vorsichtig legte Lyall seinen Hut am Rand der Verkaufstheke ab, sodass er nicht den Anschein erweckte, zum Inventar zu gehören. Es war einer seiner Lieblingshüte. »Wissen Sie, dass er der Kammerdiener von Lady Maccons Vater war? Wenn wir über das sprechen, von dem ich glaube, dass wir darüber sprechen, könnte sich sein Beitrag als durchaus wertvoll erweisen.«
»War er das wirklich? Natürlich weiß ich, dass er vor Alexias Heirat Butler der Loontwills war, aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie mir mehr darüber enthüllt hätte.« Madame Lefoux betrachtete Floote, der unter ihrer eindringlichen Musterung völlig ungerührt blieb, mit neuem Interesse.
»Alles, was geschehen ist, hat vermutlich bis zu einem gewissen Punkt mit Alessandro Tarabotti zu tun«, zog Professor Lyall ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich.
»Denken Sie, ja? Einschließlich Alexias Idee von einem spontanen heimlichen Treffen?«
»Ist das denn nicht immer so mit den Außernatürlichen? Vielleicht sollten wir uns irgendwohin zurückziehen, wo es abgeschiedener ist.« In dem Hutladen mit seinen breiten Schaufenstern fühlte sich der Beta auf unangenehme Weise den Blicken der Passanten ausgesetzt. Er bevorzugte für dieses Gespräch Madame Lefoux’ geheime unterirdische Erfinderwerkstatt, die unter dem Geschäft lag.
Madame Lefoux legte ihre Arbeit nieder. »Ja, Alexia wird wissen, wo wir zu finden sind. Wenn Sie mir bitte …«
Sie wurde von einem Klopfen an der Ladentür unterbrochen. Ein Glöckchen klingelte lieblich, als jemand die Tür aufstieß und ein fröhlich aussehender rothaariger junger Kerl den Raum betrat. Er trug einen hellbraunen Zylinder, ein bisschen zu enge, rot karierte Breeches, Gamaschen und ein breites Lächeln im Gesicht, das das unverwechselbare Flair des Theaters an sich hatte.
»Ah, Tunstell, natürlich.« Professor Lyall war nicht überrascht über diesen Neuzugang bei Lady Maccons kleiner Zusammenkunft.
Floote begrüßte Lord Maccons ehemaligen Claviger mit einem Nicken. Dann glitt er an ihm vorbei, um die Ladentür zu schließen und sich zu vergewissern, dass das GESCHLOSSEN -Schild auch wirklich noch immer dort hing. Er war erst seit Kurzem zu Alexias persönlichem Sekretär und Bibliothekar befördert worden, vorher war er ein sehr guter Butler gewesen. Manchmal war es schwer, sich das Butlern abzugewöhnen, besonders hinsichtlich offen stehender Türen.
»Aber hallo, Professor! In Lady Maccons Nachricht stand nichts davon, dass Sie hier sein würden. Was für ein aufrichtiges Vergnügen! Wie geht es dem alten Wolf?« Tunstell nahm den Hut ab und beehrte die Anwesenden mit einer schwungvollen Verbeugung und einem noch breiteren Grinsen.
»Schlapp.«
»Was Sie nicht sagen. Ich hätte gedacht, nach dem, was ich heute Morgen in der Zeitung gelesen habe, läuft er in der Gegend umher und droht damit, den Leuten nacheinander alle Gliedmaßen auszureißen. Also …« Tunstell erwärmte sich zusehends für das Thema. Mit den Armen wedelnd stolzierte er im Zimmer umher und stieß dabei die Hüte an. Seit kurzer Zeit hatte er sich einen Ruf als recht guter Schauspieler erworben, aber schon bevor er bekannt geworden war, hatte sein Auftreten einen starken Hang zum Dramatischen gehabt.
Ein humorloses kleines Lächeln zuckte über Madame Lefoux’ Lippen, und sie unterbrach den ehemaligen Schlüsselwächter mitten in seiner theatralischen Aufführung. »Ihr Alpha nimmt die eheliche Trennung also nicht gut auf? Das freut mich zu hören.« Sie unterbrach Tunstell nicht, weil sie etwa unhöflich war. Der Rotschopf war ein gutmütiger Kerl, mit stets heiterem Gemüt und einer unbestreitbaren Bühnenpräsenz, aber er neigte auch zur Übertreibung.
Professor Lyall seufzte schwer. »Er ist seit drei Tagen betrunken.«
»Gütiger Himmel! Ich wusste gar nicht, dass Werwölfe überhaupt betrunken werden können.« Das wissenschaftliche Interesse der Französin war geweckt.
»Dazu ist beträchtliche Mühe und ein gewaltiger Vorrat an Mitteln erforderlich.«
»Was hat er denn getrunken?«
»Formaldehyd, wie sich herausstellte. Erst heute Morgen habe ich seine Quelle entdeckt. Es ist höchst ärgerlich. Er hat sich durch all meine Vorräte gearbeitet und dann noch die Hälfte meiner Sammlung an Präparaten vernichtet, bevor ich ihm auf die Schliche kam. Wissen Sie, ich habe ein kleines Labor auf dem Gelände von Woolsey Castle, in einer
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