Entflammte Nacht
gleichermaßen warmherzige Antwort.
»In meinem Lieblingshutladen.« Kokett gab sie Tunstell mit ihrem Fächer einen Klaps auf den Arm. »Ich frage mich, was dich wohl ausgerechnet hierher geführt haben könnte.«
Tunstell blickte verzweifelt zu Lady Maccon hinüber, die nur ein wenig hilfreiches Schmunzeln aufblitzen ließ.
»Nun ja …«, räusperte er sich. »Ich dachte, du würdest dir gern den einen oder anderen neuen Flitterkram aussuchen, anlässlich unseres …«, verzweifelt rang er nach einer Idee, »einmonatigen Jubiläums?« Alexia nickte unmerklich, und er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
Darauf war sichergestellt, dass Ivy nichts als Hüte sah und weder Lady Maccons umfangreiches, überall verstreutes Gepäck noch – zumindest einige Augenblicke lang – Lady Maccon selbst bemerkte. Als Ivy es schließlich doch tat, setzte sie sofort ziemlich freimütig zur Befragung an.
»Gütiger Himmel, Alexia! Was machst du denn hier?«
»Oh, hallo Ivy! Wie geht es dir? Vielen Dank für den Hut, den du mir heute Morgen geschickt hast. Das war sehr … ähm, erbaulich.«
»Ja, nun … Lassen wir das für den Augenblick. Sag mir doch bitte lieber, was du denn da machst?«
»Ich denke doch, dass das ziemlich offensichtlich ist, selbst für dich, meine Liebe. Ich packe.«
Ivy schüttelte den Kopf, dass das Gefieder hin- und herschwankte. »Mitten in einem Hutladen? An dieser Situation ist doch irgendetwas nicht ganz in Ordnung!«
»Was sein muss, muss sein, Ivy.«
»Ja, aber was mich an diesem Punkt interessiert, ist – um es nicht allzu vorsichtig auszudrücken – warum?«
»Ich denke, das sollte ebenfalls offensichtlich sein. Ich laufe in unmittelbare Gefahr zu verreisen.«
»Doch nicht etwa wegen dieser ärgerlichen Geschichte in den Morgenzeitungen?«
»Ganz genau deswegen.« Nach Alexas Meinung war diese Ausrede genauso gut wie jede andere. Es widerstrebte ihr zutiefst, den Anschein zu erwecken, sie würde aus London flüchten, weil man sie für eine Ehebrecherin hielt, doch das war besser, als den wahren Grund öffentlich bekannt werden zu lassen.
Man stelle sich nur vor, was die Klatschmäuler gesagt hätten, hätten sie gewusst, dass die Vampire darauf aus waren, sie zu ermorden – wie peinlich! Seht sie euch an, würden sie sagen. Mehrfache Mordversuche, ach wirklich! Für wen hält sie sich eigentlich? Für die Königin von Saba?
Und wirklich, war das denn nicht das, was alle unehrbaren Damen am Ende taten – nach Europa fliehen?
Ivy wusste nichts von Alexias Seelenlosigkeit. Sie wusste nicht einmal, was außernatürlich bedeutete. Dieses Gebrechen von Lady Maccon war kein besonders gut gehütetes Geheimnis, schließlich wussten alle ortsansässigen Werwölfe, Gespenster, Vampire und BUR darüber Bescheid. Der Großteil der Tageslichtbevölkerung jedoch wusste nichts davon, dass eine Außernatürliche in London residierte.
Unter Alexia und all ihren engen Vertrauten herrschte die allgemeine Meinung, dass, wenn Ivy davon gewusst hätte, jeder Versuch, ihre Anonymität zu wahren, innerhalb weniger Stunden vergebens wäre. Ivy war eine liebe Freundin, treu und unterhaltsam, aber Umsichtigkeit zählte nicht zu ihren herausragendsten Eigenschaften. Sogar Tunstell räumte diese Charakterschwäche seiner Frau ein und hatte deshalb davon abgesehen, die frischgebackene Mrs. Tunstell über diese Besonderheit ihrer langjährigen Freundin zu informieren.
»Nun ja, ich kann verstehen, dass du dich eine Weile aus der Stadt zurückziehen möchtest. Aber wo willst du denn hin, Alexia? Aufs Land?«
»Madame Lefoux und ich reisen nach Italien, wegen meiner Niedergeschlagenheit, verstehst du?«
»Du liebe Güte, aber Alexia! Ist dir bewusst …«, Ivy senkte die Stimme zu einem Flüstern, »dass Italien dort ist, wo die ganzen Italiener sind? Bist du dir ganz sicher, dass du mit denen zurechtkommst?«
Lady Maccon verkniff sich ein Lächeln. »Ich denke, ich werde mich schon irgendwie durchschlagen.«
»Jedenfalls habe ich erst vor Kurzem etwas äußerst Abscheuliches über Italien gehört. Ich kann mich gerade nicht genau daran erinnern, aber es kann unmöglich gesund sein, diesen Ort aufzusuchen. Wie ich hörte, ist Italien die Gegend, aus der Gemüse kommt – wegen des Klimas und so. Fürchterlich schlecht für die Verdauung, dieses Gemüse.«
Darauf wollte Lady Maccon absolut keine Antwort einfallen, deshalb packte sie einfach weiter ihre Koffer.
Ivy ging wieder dazu
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