Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Titel: Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim Miské
Vom Netzwerk:
kümmern.«
    Aïssa Benamer schüttelt den Kopf, stopft den Schwamm in die Plastiktüte mit den zu entsorgenden Utensilien, holt eine Sackkarre aus dem Kofferraum und legt damit die fünfzehn Meter zurück, die ihn von der Leiche trennen. Der Kopf des Dicken ist von einem tiefroten Heiligenschein umgeben. Zwölf Minuten zuvor – das Lächeln Raymond Meyers war kaum verschwunden – hat Frédéric Enkell eine Kugel in Francis’ Hinterkopf geschossen. Anschließend weckte er seinen Komplizen mit zwei schallenden Ohrfeigen und trug ihm auf, die blutbesudelte Heckscheibe zu reinigen. Zu zweit laden sie nun den übergewichtigen Körper ihres verblichenen Kollegen auf die Sackkarre, vertäuen ihn um Hals, Brust und Bauch, lassen die Beine aber schleifen. Eine Leiche zu transportieren ist unendlich mühsam. Schon aus diesem Grund versuchen sie meist, ihre Opfer möglichst in unmittelbarer Nähe ihres endgültigen Bestimmungsortes zu liquidieren. Am anstrengendsten ist es, die auf Rollen fixierte Ladung die drei Stufen der Außentreppe hinaufzuwuchten. Die Tür wiederum ist leicht zu öffnen und gibt den Blick auf einen riesigen Raum frei, in dessen Mitte wie ein Totempfahl ein großer, zylindrischer Behälter steht, über dem ein weiterer, kleinerer Zylinder angebracht ist. Das Gefäß ist einen Meter neunzig hoch. An den Seiten lehnen zwei Leitern. Aus einer Tasche, die zwischen den Leitern wartet, holt Enkell zwei neongrüne Schutzanzüge, während Benamer Francis Meyers Leichnam losbindet.
    AUFLÖSUNG
    Ihn auf die Höhe des ersten Zylinders zu wuchten ist kein Kinderspiel. Jeder steht auf einer Leiter, einer hält die Beine, der andere greift unter die Schultern. Verdammt …! Schließlich legen sie Meyer auf dem Rand des Bottichs ab. Einer hält ihn fest, der andere klettert ganz nach oben, um den riesigen Deckel des Bottichs aufzuschrauben. Verdammt schwierig!
    WAS MACHE ICH HIER EIGENTLICH?
    Das Loch ist zu klein, um den Körper im Ganzen hineinzuzwängen. Sie müssen sich entscheiden: Kopf oder Beine? Kopf, beschließt der Chef. Das möchte er sehen. Danach geht alles ganz schnell. Wie beim Tauchen. Das Gefäß ist gut konstruiert. Nicht der kleinste Spritzer. »Wir hätten es eigentlich auch ohne die blöden Schutzanzüge machen können«, denkt der andere. Und dann kommt das Geräusch. Ein sehr realistisches Geräusch. Das Geräusch des Vergehens.
    PSCHSCHSCH
    Damit sind sie hier fertig. Arbeit gibt es in dieser Nacht allerdings noch genug.

40
    Halb drei bei Rachel. Aïcha und Bintou sitzen brav am Tisch. Es gibt Kaffee und Kekse. Der Laptop ist eingeschaltet und Aïchas Konto auf Skype aktiviert. Die Stille wird immer bedrückender. Wer wagt sich als Erste vor?
    »Wir müssen Ihnen etwas sagen«, beginnt Bintou.
    »Ja?«
    »Unsere Brüder wollen nach Rébeccas Anruf herkommen. Mit Ruben.«
    Rachel wartet. Bintou knabbert einen halben Keks und hebt den Blick zu einem mehrfarbigen Stich, der eine indische Gottheit zwischen zwei Göttinnen darstellt. Einen Moment lang taucht sie in die Heiterkeit und Süße des Bildes ein, ehe sie in die Wirklichkeit mit ihren Abgründen zurückkehrt. Hastig fährt sie fort:
    »Sie haben nichts getan. Aber genau das wird sie bis an ihr Lebensende verfolgen. Sie haben den Mörder an dem bewussten Abend gesehen. Außer Sam und Moktar war noch ein sehr starker und ziemlich beunruhigender Kerl dabei. Der Frisör und Moktar wollten, dass sie Laura entführen, aber unsere Brüder haben sich geweigert. Der komische Typ hat sie bedroht, und sie sind gegangen. So war es, sie sind gegangen, und Laura wurde umgebracht. Mein Bruder hat nichts getan, um den Mord zu verhindern. Und die Brüder von Aïcha und Rébecca auch nicht. Sie haben nichts getan … Verstehen Sie? Unsere Brüder.«
    Bintou beginnt zu schluchzen. Mit Tränen in den Augen schaut sie Lieutenant Kupferstein an und bettelt wortlos um die Antwort auf eine Frage, die sie nicht zu stellen wagt. Rachel gibt sie ihr mit traurigem Lächeln.
    »Ihren Brüdern drohen drei Jahre wegen Nichtanzeige einer geplanten Straftat. Drei Jahre und fünfundvierzigtausend Euro Geldstrafe. Wenn sie sich allerdings freiwillig der Polizei stellen und Hinweise zur Ergreifung des Täters geben, wird der Richter vermutlich auf mildernde Umstände erkennen. Ich werde Jean anrufen und ihn bitten, dabei zu sein. Anschließend gehen wir alle gemeinsam zum Bunker.«
    Viertel vor drei. Rachel hat vor dem geplanten Skype-Gespräch gerade noch Zeit, ihren

Weitere Kostenlose Bücher