Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
mit Ausnahme der beiden Messinghaubitzen, waren in einem Gestell an der hintersten Wand der Kajüte untergebracht. Die meisten Degen hatten an einer anderen Stelle Platz gefunden. Kleine, mit Läden zu verschließende Fenster an beiden Seiten und ein Oberlicht im Dach der Kajüte ließen das Tageslicht herein. Wenn es dunkel wurde, brannte ständig eine Lampe. Sie brannte auch jetzt, als ich eintrat, zwar nicht sehr hell, aber ich konnte erkennen, daß hinter dem Tisch mit einer Branntweinflasche und einem Zinnbecher Mr. Shuan saß. Er war groß und kräftig gebaut, mit tiefschwarzem Haar. Wie verblödet starrte er auf die Tischplatte.
    Mein Eintreten beachtete er gar nicht, er rührte sich auch nicht, als der Kapitän hereinkam und sich mit finsterem Gesichtsausdruck neben mir an den Rand der Koje lehnte.
    Ich fürchtete mich sonst schrecklich vor Hoseason und hatte meine guten Gründe dafür, aber irgend etwas sagte mir, daß ich jetzt keine Angst vor ihm zu haben brauchte. Daher flüsterte ich ihm zu: »Wie geht’s ihm?«
    Er schüttelte den Kopf, als wisse er nichts oder wolle nicht daran erinnert werden. Sein Gesicht war sehr ernst.
    Gleich darauf kam Mr. Riach herein. Er warf dem Kapitän einen Blick zu, der deutlicher als Worte erkennen ließ, daß der Junge tot war. Der Zweite Offizier suchte sich einen Platz, und wir standen alle drei schweigend da und starrten Mr. Shuan an, der immer noch, ohne ein Wort zu sagen, dasaß und vor sich hin stierte.
    Plötzlich streckte er die Hand aus, um nach der Flasche zu greifen. Bei dieser Bewegung fuhr Mr. Riach auf, trat dicht zu ihm heran und riß ihm den Schnaps aus der Hand. Er überrumpelte ihn mehr, als daß er Gewalt anwandte, stieß einen derben Fluch aus und schrie, es sei nun genug Unheil angerichtet worden; gewiß werde das Schiff es büßen müssen.
    Während er das sagte, schleuderte er die Flasche durch die offene Schiebetür ins Meer.
    Im nächsten Augenblick war Mr. Shuan aufgesprungen; er sah noch verstört aus, schien aber zu einem Mord entschlossen. Er hätte ihn wohl auch begangen, den zweiten an diesem Tage, wäre der Kapitän nicht dazwischengetreten.
    »Setzt Euch!« brüllte er. »Ihr seid ein Saufbold, ein Schwein! Wißt Ihr, was Ihr getan habt? Ihr habt den Jungen erschlagen!«
    Mr. Shuan hatte die Worte anscheinend begriffen, denn er setzte sich wieder und strich sich mit der Hand über die Stirn.
    »Ja«, sagte er, »er hat mir einen schmutzigen Becher gegeben.«
    Bei diesen Worten blickten wir drei, der Kapitän, Mr. Riach und ich, uns sekundenlang entsetzt an. Dann stand Hoseason auf, trat zu seinem Obermaat, nahm ihn bei den Schultern und führte ihn zu seiner Koje. Er forderte ihn auf, sich niederzulegen und zu schlafen, in einem Ton, wie man zu einem widerspenstigen Kinde spricht. Der Mörder weinte ein wenig, gehorchte aber und zog die hohen Wasserstiefel aus.
    »Ach«, rief Mr. Riach mit drohender Stimme, »Ihr hättet schon längst eingreifen sollen. Jetzt ist es zu spät.«
    »Mr. Riach«, sagte der Kapitän, »was heute abend hier geschehen ist, darf in Dysart niemals bekannt werden. Der Junge ist über Bord gespült worden, so muß es heißen. Und ich gäbe nur allzugern fünf Pfund aus meiner eigenen Tasche, daß es wirklich so gewesen wäre.«
    Dann wandte er sich dem Tisch zu.
    »Was ist Euch eingefallen, den guten Branntwein zu vergeuden?« fuhr er fort. »Das war doch Unsinn. Hier, David, hole mir eine andere Flasche da unten aus dem Schrank«, und er warf mir einen Schlüssel zu. Zu Riach gewandt, sagte er: »Ihr werdet selbst ein Glas brauchen können. Das vorhin war häßlich mit anzusehen.«
    Die beiden setzten sich und begannen leise miteinander zu sprechen. Indessen hatte sich der Mörder, der wimmernd in seiner Koje lag, aufgerichtet, auf einen Ellbogen gestützt und erst mich und dann die beiden gemustert.
    So begann der erste Abend mit meinen neuen Pflichten; im Laufe der nächsten Tage fand ich mich gut zurecht. Ich mußte bei den Mahlzeiten, die der Kapitän mit dem dienstfreien Offizier zu bestimmten Stunden einnahm, bedienen. Von früh bis spät war ich auf den Beinen, um abwechselnd dem einen oder dem anderen meiner drei Gebieter mit einem Schnapsbecher nachzulaufen. Nachts kauerte ich in dem äußersten Winkel der Kajüte, in einer Decke gewickelt, zwischen den beiden Türen auf dem Fußboden, wo es am zugigsten war. Mein Lager war hart und kalt, und ich konnte niemals durchschlafen, denn es kam immerzu jemand

Weitere Kostenlose Bücher