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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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herein, der einen Schluck Branntwein wollte; und wenn die Wache abgelöst wurde, setzten sich die Dienstfreien zu zweit oder auch zu dritt hin und brauten sich einen Trank. Wie sie es bei diesem Leben fertigbrachten, gesund zu bleiben, verstehe ich ebensowenig, wie ich es von mir selber begriffen habe.
    Und dennoch war es in anderer Hinsicht ein leichter Dienst. Ein Tischtuch wurde nicht aufgelegt, und die Mahlzeiten bestanden entweder aus Haferbrei oder Pökelfleisch. Nur zweimal in der Woche gab es Mehlklöße, und obwohl ich ungeschickt war, noch keine richtigen Seemannsbeine hatte und daher häufig mit dem Tablett stolperte, waren sowohl Mr. Riach als auch der Kapitän sehr nachsichtig mit mir. Ich konnte nur annehmen, daß ihnen ihr Gewissen schlug und daß sie es beruhigen wollten. Denn sie wären wohl kaum so nett zu mir gewesen, wenn sie Ransome vorher nicht so schlecht behandelt hätten.
    Was Mr. Shuan betraf, so hatten die Trunksucht und seine Verbrechen offenbar seinen Verstand getrübt. Ich kann nicht behaupten, daß ich ihn jemals mit ganz klarem Kopfe erlebt habe. Er hat sich auch nie an meine Anwesenheit gewöhnen können. Unablässig starrte er mich an, zuweilen, wie es mir schien, voller Entsetzen, und mehr als einmal zuckte er erschreckt zurück, wenn ich ihn bediente. Ich war von Anfang an überzeugt, daß er sich nie eine richtige Vorstellung von dem machen konnte, was er getan hatte. Am zweiten Tage meines neuen Dienstes in der Kajüte wurde diese Annahme bestätigt. Wir waren allein, und er hatte mich lange Zeit angestiert. Plötzlich sprang er auf, bleich wie der Tod, und trat zu meinem Schrecken ganz dicht an mich heran. Aber ich merkte gleich, daß ich keinen Grund hatte, mich zu fürchten.
    »Du warst doch früher nicht hier?« fragte er.
    »Nein, Sir«, erwiderte ich.
    »Es war doch ein anderer Junge da?« forschte er weiter. Er fragte noch einmal, und als ich ihm alles erklärt hatte, sagte er: »Ach, das habe ich mir gedacht.«
    Dann ging er wieder auf seinen Platz, sagte kein Wort mehr und verlangte nur Branntwein.
    Es mag dem Leser seltsam vorkommen, aber trotz der Angst, die ich vor Mr. Shuan hatte, tat er mir leid. Er war verheiratet, und seine Frau lebte in Leith; ob er Kinder besaß, habe ich vergessen. Hoffentlich hatte er keine.
    Im großen und ganzen war mein Leben, so lange es so blieb, nicht allzu schwer. Aber es blieb eben nicht lange so, wie der Leser sogleich erfahren wird. Ich bekam so gut zu essen wie die Offiziere, sogar von den eingemachten Gurken und Zwiebeln, die als Leckerbissen galten. Ich hätte genau wie Mr. Shuan ständig betrunken sein können, wenn ich Lust dazu gehabt hätte. Unterhaltung fand ich auch, und zwar keine schlechte, denn Mr. Riach, der die höhere Schule besucht hatte, sprach mit mir, wenn er nicht gerade mißgelaunt war, wie mit einem Freunde. Er erzählte mir viele seltsame Dinge, die zum Teil sehr lehrreich waren. Sogar der Kapitän, der im allgemeinen Vertraulichkeiten vermied, wurde manchmal ganz gesprächig und schilderte mir die schönen Länder, die er auf seinen Fahrten kennengelernt hatte.
    Natürlich wurden wir vier den Schatten des armen Ransome nicht los, der besonders schwer auf Mr. Shuan und mir lastete. Ich hatte aber noch einen anderen Kummer: Ich mußte für die drei Männer, die ich verachtete und von denen wenigstens der eine an den Galgen gehörte, die schmutzigsten Arbeiten verrichten. So stand es jetzt um mich, und was die Zukunft anbelangte, so sah ich mich schon an der Seite der Negersklaven auf den Tabakfeldern fronen. Mr. Riach duldete niemals wieder – vielleicht aus Vorsicht –, daß ich auf meine Geschichte zurückkam. Als ich bei dem Kapitän vorzufühlen versuchte, schrie er mich an wie einen Hund und wollte kein Wort davon hören. Daher wurde mir das Herz von Tag zu Tag schwerer, bis ich schließlich froh über die Arbeit war, die mir das Nachdenken ersparte.

IX. Der Mann mit dem Gürtel voll Gold
    Mehr als eine Woche verging, und das Mißgeschick, das die »Covenant« auf dieser Reise verfolgte, nahm nicht nur kein Ende, sondern wurde immer schlimmer. An manchen Tagen kamen wir ein wenig schneller vorwärts, an anderen wurden wir dafür buchstäblich zurückgetrieben. Schließlich waren wir so weit nach Süden verschlagen worden, daß wir den ganzen neunten Tag vor Kap Wrath, angesichts der wilden felsigen Küsten zu beiden Seiten der Landzunge, hilflos lavierten und hin und her geschleudert

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