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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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getötet?« fragte ich. »Nur, weil er Sie angespuckt hat? Er war doch betäubt, hilflos.«
    »Ich sehe, Sjukin, Sie halten mich für ein schlimmeres Monster als den Doktor. Warum sollte ich ihn töten? Außerdem ist er ein wichtiger Z-Zeuge. Ich habe ihn nur für längere Zeit eingeschläfert, so für vier Stunden. Vermutlich wird die Polizei in dieser Zeit die beiden T-Täubchen finden. Ist das nicht ein interessanter Fund: eine Leiche und daneben ein Bewußtloser, mit einem Revolver in der Tasche. Obendrein habe ich meine Visitenkarte zurückgelassen, mit dem Zusatz ›Das ist ein Mann von Lind‹.«
    Mir fiel das weiße Zettelchen ein, das Fandorin dem Banditen auf die Brust geworfen hatte.
    »Vielleicht schütteln Karnowitsch und Lassowski etwas aus ihm heraus. Obwohl das wenig w-wahrscheinlich ist – unter Linds Leuten gibt es keine Verräter. Jedenfalls werden der Polizei Zweifel kommen, ob wir beide Diebe sind, und das ist schon nicht schlecht.«
    Die letzte Überlegung klang recht vernünftig, und das wollte ich Fandorin sagen, doch er hielt mir den Mund zu.
    »Still!«
    Eine schmale Tür ging auf, und der bewußte Postangestellte, eine Uniformmütze auf dem Kopf und einen Aktendeckel unterm Arm, kam im Eilschritt in den Hof. Er trippelte an den Müllkisten vorbei und wandte sich zum Torbogen.
    »Er hat es eilig«, flüsterte Fandorin. »Sehr gut. Das bedeutet, er hatte keine Gelegenheit zu t-telephonieren. Wie mag er Lind von Ihrem Eintreffen in Kenntnis gesetzt haben? Mit einem Briefchen? Dann müßte Linds Versteck ganz in der Nähe sein. Und nun los!«
    Wir traten rasch hinaus auf die Straße. Ich hielt nach einer freien Droschke Ausschau: Wenn es der Postler so eilig hatte, würde er einen Wagen nehmen. Doch nein, die Gestalt in der schwarzen Postuniform überquerte den Boulevard und tauchte in eine enge Gasse ein. Hatte Fandorin mit seiner Vermutung recht, war Lind hier in der Nähe?
    Im Gehen befahl Fandorin: »Lassen Sie sich zwanzig Meter hinter mich zurückfallen und halten Sie den Abstand. Auf keinen Fall r-rennen.«
    Leicht gesagt – »auf keinen Fall rennen«. Fandorin brachte es wie durch ein Wunder fertig, zügig auszuschreiten, ohne den Eindruck von Hast zu erwecken, doch ich mußte den Trick eines angeschossenen Hasen anwenden: zwanzig Schritte gehen, dann kurz rennen; gehen – rennen. Sonst wäre ich zurückgeblieben. Zum Glück war es schon fast ganz dunkel, und meine seltsamen Manöver fielen den spärlichen Passanten nicht auf.
    Der Postler schlug im Gewirr der Gäßchen noch ein paar Haken und blieb dann vor einem kleinen Holzhaus stehen, dessen Tür direkt auf den Gehsteig ging. Hinter der Gardine eines Fensters brannte Licht – also war jemand zu Hause. Aber der Postler klingelte nicht. Er öffnete die Tür mit einem Schlüssel und verschwand im Haus.
    »Was machen wir jetzt?« fragte ich, als ich Fandorin eingeholt hatte.
    Er faßte mich am Ellbogen und führte mich von dem Häuschen weg.
    »Ich weiß nicht. L-Lassen Sie uns überlegen.« Im Licht der Laterne war zu sehen, daß sich die glatte Stirn unter dem Lackschirm der Polizistenmütze in Falten legte. »Es gibt mehrere Möglichkeiten. Die erste: Doktor Lind und die Geiseln sind hier. Dann müssen wir die Fenster beobachten und warten. Wenn sie das Haus verlassen, schlagen wir zu. Die zweite Möglichkeit: Hier ist nur Lind, und Emilie und der Junge sind an einem anderen Ort. Dann müssen wir auch warten, bis er herauskommt, und ihm folgen, bis er uns zu den Geiseln führt. Die dritte Möglichkeit: Hier sind weder Lind noch die G-Gefangenen, sondern nur der Postler und seine Familie – irgend jemand war doch im Haus, nicht wahr? In dem Fall muß ein Bote von Lind hierherkommen. Ein Telephon wird es in dem Häuschen kaum geben. Also auch wieder warten. Wir werden sehen, wer kommt, und dann entsprechend handeln. Es gibt also drei Varianten, und jede bedeutet – warten. M-Machen wir es uns bequem – das Warten kann sich hinziehen.« Fandorin blickte sich um. »Sjukin, schnappen Sie sich auf dem Boulevard eine Droschke. Nennen Sie kein Ziel. Sagen Sie dem Kutscher nur, daß es lange dauert und daß Sie großzügig löhnen. Ich schaue mich hier inzwischen etwas um.«
    Als ich eine Viertelstunde später in einer Droschke vorfuhr, trat Fandorin aus dem Schatten. Er rückte sein Portepee zurecht und sagte mit strenger Befehlsstimme: »Droschke Nr. 345? Du hältst dich die ganze Nacht zu unserer Verfügung. Eine Geheimsache. Für

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