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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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retten, als darum, Publizität zu vermeiden. Und noch etwas …« Er sah ihr in die Augen und sagte genau das, was ich in der Orangerie versucht, aber nicht zustande gebracht hatte. »Geben Sie sich an dem Vorgefallenen keine Schuld. Auch wenn Sie den Jungen nicht allein gelassen hätten, würde das nichts geändert haben. Es hätte nur ein zusätzliches Opfer gekostet, denn Doktor Lind läßt keine Zeugen zurück.«
    Mademoiselle blinzelte rasch, und mir schien, daß eine Träne von ihren Wimpern flog.
    »Merci, monsieur, merci. J’avais besoin de l’entendre.« 13
    Sie drückte Fandorin die Hand, genauso wie neulich mir.
    Er berührte überaus familiär ihren Ellbogen, nickte und ging rasch davon, als habe er es sehr eilig.
    Ich war nach all den Vertraulichkeiten ganz verzagt.
    Vorauseilend – später wird klar, warum – werde ich jetzt erzählen, wie die Operation der Moskauer Polizei endete.
    Der Plan Lassowskis war nicht dumm und hätte sicherlich zum Erfolg geführt, wenn Lind die Bedingungen des von ihm vorgeschlagenen Treffens eingehalten hätte. Aber genau das tat der hinterhältige Doktor nicht.
    Also, die Gouvernante fuhr mit der Kutsche Richtung Arbat. In den Händen hielt sie ein samtenes Ridikül mit dem kostbaren Schmuckstück. Der eine Gendarm saß ihr gegenüber, der andere auf dem Bock.
    Gleich hinter der Krim-Brücke, als die Kutsche in eine Straße eingebogen war (wenn ich nicht irre, heißt sie Ostoshenka), richtete sich Mademoiselle plötzlich zu ihrer vollen Größe auf, drehte sich nach einer Kutsche um, die gerade an ihnen vorübergefahren war, und schrie gellend: »Mika! Mika!«Die Offiziere wandten sich auch um und erkannten zwischen den schwankenden Vorhängen des Rückfensters ein blaues Matrosenmützchen.
    Zum Wenden war keine Zeit, aber glücklicherweise kam ihnen in dem Moment eine Mietdroschke entgegen.
    Die Gendarmen befahlen Mademoiselle, in der Equipage zu bleiben, scheuchten den Droschkenkutscher vom Bock und nahmen die Verfolgung des Wagens auf, der den Jungen davontrug.
    Sie konnten ihn nicht einholen, denn der Droschkengaul kam nicht gegen die guten Pferde des Vierspänners an, und derweil trat zu Mademoiselle Déclic, die verlassen auf ihrem Sitz hin und her rutschte, ein Herr mit Schnurrbart und Spitzbärtchen, lüpfte höflich die Beamtenmütze und sagte in tadellosem Französisch: »Die Bedingung ist erfüllt – Sie haben den Prinzen gesehen. Und nun bitte die Gegenleistung.«
    Was sollte Mademoiselle tun? Zumal in der Nähe zwei Männer herumstrichen, die nach ihren Worten weit weniger galant aussahen als der höfliche Herr.
    Sie gab das Ridikül hin und versuchte sich eingedenk der Anweisung Fandorins die drei Männer so gut wie möglich einzuprägen.
    Nun, sie prägte sie sich ein und beschrieb sie später ausführlich. Und was folgte daraus? Offenbar hatte der Doktor keinen Mangel an Leuten.
     
    Von diesem Fehlschlag der Operation erfuhr ich später, denn ich war an jenem Abend nicht in der Eremitage. Als Mademoiselle, die also gar nicht bis zu der am Arbat ausgelegten Falle gekommen war, zurückkehrte, war ich schon weit weg vom Neskutschny-Park.
    Nachdem ich die Gouvernante verabschiedet hatte, die nur deshalb in das riskante Unternehmen hineingezogen wurde, weil ich mich so dumm benommen hatte und der Aufgabe nicht gerecht geworden war, quälte mich die Tatenlosigkeit noch mehr. Ich ging in meinem Zimmer auf und ab und dachte darüber nach, was für ein Ungeheuer Fandorin doch war. Diesen halbseidenen Herrn durfte man nicht in die Nähe von Mädchen und unbescholtenen Frauen lassen. Wie schamlos er Ihrer Hoheit den Kopf verdreht, wie geschickt er das Wohlwollen von Mademoiselle errungen hatte! Und vor allem – wozu? Was wollte dieser geschniegelte, mit allen Wassern gewaschene Verführer mit einer bescheidenen Gouvernante, die weder schön war noch eine grande dame? Wozu redete er mit so samtweicher Stimme mit ihr und drückte ihr obendrein den Ellbogen? Oh, dieses Subjekt tat nichts ohne Absicht.
    Hier schlugen meine Gedanken eine völlig unerwartete Richtung ein. Ich erinnerte mich, daß Großfürst Simeon, der Fandorin von früher kannte, ihn als »Abenteurer der übelsten Sorte« bezeichnet hatte, von dem alles mögliche zu erwarten sei. Solch ein Eindruck hatte sich auch bei mir verfestigt.
    Mir drängten sich immer mehr Verdachtsmomente auf, und um Klarheit zu gewinnen, versuchte ich sie nach Fandorinscher Methode zu ordnen.
    Erstens. Die Geschichte, wie

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