Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
Vom Netzwerk:
nur eine leere krumme Gasse, schiefe Laternen mit herausgeschlagenem Glas, halbzerfallene Häuschen.
    Ich rannte zur nächsten Gasse und wich sofort zurück, denn ganz nahe, zwanzig Schritte vor mir, stiegen die Gesuchten aus der Droschke.
    Vorsichtig spähte ich aus meiner Deckung und sah, daß von verschiedenen Seiten gräßliche, abgerissene Kerle an die Ankömmlinge herantraten und neugierig das Gefährt begafften, woraus ich schloß, daß eine Droschke in Chitrowka ein herausragendes Ereignis darstellte.
    »Und die anderthalb Rubel?« fragte der Kutscher kläglich den verkleideten Fandorin.
    Der wippte, die Hände in den Taschen, auf den Absätzen, grinste widerlich – in seinem Mund funkelten auf einmal Goldzähne –, spuckte dem Kutscher treffsicher auf den Stiefel und erkundigte sich höhnisch: »Einen Tritt in die Eier willste nicht?«
    Die Gaffer lachten schadenfroh.
    Sieh einer an, der Staatsrat.
    Der Kutscher zog den Kopf zwischen die Schultern, gab dem Pferd die Peitsche und fuhr davon, begleitet von Gepfeife, Gejohle und Rufen unanständigen Inhalts.
    Fandorin und der Japaner gingen, ohne auch nur einenBlick gewechselt zu haben, in verschiedene Richtungen. Masa huschte in einen Torbogen und schien sich im nächsten Moment in der Dämmerung aufgelöst zu haben, während Fandorin mitten auf der Straße dahinschritt. Nach einigem Zögern folgte ich letzterem.
    Erstaunlich, wie sich sein Gang verändert hatte. Er ging schaukelnd, wie auf unsichtbaren Federn, die Hände in den Taschen, die Schultern vorgeschoben. Zweimal spuckte er aus, stieß mit dem Stiefel eine leere Blechbüchse vor sich her. Ihm entgegen kam, sich in den Hüften wiegend, eine grell geschminkte Frau mit buntem Tuch. Fandorin zog flink eine Hand aus der Tasche und zwickte sie in die Seite. Höchst merkwürdig, aber der Dame gefiel diese Art der Annäherung – sie quietschte auf, lachte schrill und rief dem Kavalier einen so handfesten Satz hinterher, daß ich beinahe gestolpert wäre. Wenn Großfürstin Xenia sehen könnte, wie gering dieser Herr ihre zarten Gefühle schätzte!
    Er ging in eine enge, dunkle Seitengasse – einfach eine Ritze zwischen Wänden. Ich wollte ihm folgen, war aber noch keine zehn Schritte gegangen, als ich von zwei Seiten an den Schultern gepackt wurde. Ein fauliger, saurer Geruch schlug mir entgegen, eine junge Stimme näselte: »Still, Onkel, ganz still.«
     
    Zwei Gestalten, in dem diffusen Licht nicht richtig zu erkennen, standen dicht neben mir, einer links, einer rechts. Vor meinen Augen blitzten die eisigen Fünkchen einer Stahlklinge auf, und ich fühlte, daß mir die Knie einknickten.
    »Sieh mal an«, krächzte eine zweite Stimme, älter als die erste und heiser. »Her mit der Marie!«
    Die Tasche, in der mein Portemonnaie steckte, wurde verdächtigleicht, aber ich begriff, daß ich besser daran tat, nicht zu protestieren. Zumal auf mein Geschrei womöglich Fandorin zurückkäme, dann wäre alles umsonst gewesen.
    »Machen Sie schnell und lassen Sie mich in Ruhe«, sagte ich ziemlich fest, bekam aber im selben Moment keine Luft mehr, denn von unten war eine Faust hochgeschnellt und auf meiner Nasenwurzel niedergegangen. Mir wurde schwarz vor Augen, und über mein Kinn rann etwas Heißes.
    »Das is ja ein ganz Schneller«, hörte ich wie durch Glas. »Die Pelle, die Pelle. Mit dem Goldflitter. Die Bluse is auch nich häßlich.«
    Finger griffen ungeniert nach meinem Hemd und zogen es aus der Hose.
    »Mist, daß du ihm die Fresse blutig gehaun hast, Seka. Batist, aber nu is alles vollgesaut. Die Buxe is auch nicht zu verachten.«
    Erst jetzt begriff ich zu meinem Entsetzen, daß diese Gauner im Begriff waren, mich nackt auszuziehen.
    »Weiberhose, aber guter Stoff.« Sie zogen an meiner Hose. »Da kann sich Manka was draus nähn. Runter damit, Onkel, ausziehn.«
    Meine Augen hatten sich inzwischen an das trübe Licht gewöhnt, und ich sah mir die Räuber genauer an.
    Besser, ich hätte es unterlassen – sie sahen grauenhaft aus. Der eine hatte einen ungeheuren Bluterguß übers halbe Gesicht, der andere schniefte laut durch seine eingesunkene Nase.
    »Nehmen Sie die Livree, aber die Hose und die Schuhe gebe ich nicht her«, sagte ich, denn allein der Gedanke, daß ich, der Haushofmeister des Grünen Hauses, nackt durch Moskau gehen müßte, machte mich schaudern.
    »Zieh dich aus, oder wir nehmen’s uns von deiner Leiche«,drohte der Heisere und zog ein Rasiermesser hinterm Rücken hervor – ein

Weitere Kostenlose Bücher