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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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nahmen nur diejenigen teil, die unmittelbar mit der Operation zu tun hatten: Mademoiselle und ich, Herr Fandorin sowie die beiden Oberste Karnowitsch und Lassowski, die mucksmäuschenstill waren und Fandorin mit betontem Respekt lauschten, ob mit echtem oder gespieltem, kann ich nicht sagen.
    Auf dem großen Tisch lag eine Karte des Geländes zwischen dem Kloster und der Uferstraße, auf der alle Einzelheiten eingetragen waren. Gestrichelte Kreise markierten geheime Beobachtungsposten, die das Terrain von allen Seiten einkreisten: ein Agent (Fandorin hatte seinen Namen genannt – Kussjakin) in der Höhlung einer alten Eiche an der Ecke des Wselenski-Parks; sechs »Diener« in einer Baracke der Kinderklinik, deren Fenster auf den Teich gingen; elf »Mönche« auf der Klostermauer; sieben »Schiffer« und »Bakenwärter« auf dem Fluß; ein Agent als Händlerin verkleidet an der Ausfahrt der Pogodinskaja-Straße; drei »Bettler« am Klosterportal; zwei »Angler« auf dem Teich – das waren im ersten Ring der Umzingelung einunddreißig Agenten.
    »Der Austausch wird folgendermaßen vor sich gehen«, erklärte Fandorin. »Man wird Sie beide zur Kapelle fahren und hineinbringen. Sie v-verlangen, Ihnen die Augenbinde abzunehmen. Lind hat dort wahrscheinlich seinen Juwelier. Sie geben ihm den ›Orlow‹ zur Begutachtung und fordern den Stein dann zurück. Darauf steigt Frau Déclic in den Keller und holt den Jungen. Wenn das Kind bei Ihnen ist, übergeben Sie den Stein. Damit ist Ihre Mission beendet, Sjukin.«
    Ich traute meinen Ohren nicht. Die abenteuerliche Veranlagung des Herrn Fandorin war mir hinlänglich bekannt, abereine solche Verantwortungslosigkeit hätte ich doch nicht erwartet. Am meisten frappierte mich, daß Karnowitsch und Lassowski sich diesen unsinnigen Plan mit ernster Miene anhörten und nicht widersprachen.
    »Was für ein Unsinn!« rief ich mit ungewohnter Schärfe (aber den Umständen angemessen). »Ich werde dort allein sein, ohne Waffe, Mademoiselle zählt nicht. Die werden mir den Brillanten einfach wegnehmen, nachdem sie sich von seiner Echtheit überzeugt haben. Und werden nicht im Traum daran denken, den Großfürsten freizulassen! Sie werden uns alle drei umbringen und dann durch einen unterirdischen Gang verschwinden. Eine grandiose Operation! Wäre es nicht besser, abzuwarten, bis Frau Déclic und ich in der Kapelle sind, und dann die Gruft zu stürmen?«
    »Nein«, antwortete Fandorin kurz und bündig.
    Und Karnowitsch erklärte: »Dann wird Seine Hoheit mit Sicherheit getötet. Und Sie beide auch.«
    Ich schwieg und sah Emilie an. Ich muß zugeben, daß sie gefaßter war als ich und daß sie, was zu sehen besonders weh tat, Fandorin voller Vertrauen anblickte.
    »Erast Petrowitsch«, sagte sie leise, »Docteur Lind ist sehr schlau. Vielleicht sie bringen uns eute zu einem anderen Ort, einem ganz neuen? Wenn das so ist, at Ihre embuscade 22 kein Aussischt.«
    »Keine Aussicht«, verbesserte ich aus alter Gewohnheit und drehte mich zu dem neunmalgescheiten Fandorin um, denn die Frage traf ins Schwarze.
    »Ja, das ist nicht auszuschließen«, gab er zu. »Aber für diesen Fall habe ich einige M-Maßnahmen in petto. Sjukin, auch Ihre Befürchtungen, daß die Banditen den Stein an sich nehmen,ohne den Jungen herauszugeben, sind berechtigt. Hier hängt alles von Ihnen selbst ab, und damit komme ich zum W-Wichtigsten.«
    Mit diesen Worten trat er zu einer Holzschatulle, die auf einem Tischchen am Fenster stand, und entnahm ihr mit beiden Händen eine glatte und glänzende Goldkugel von der Größe einer kleinen Krim-Melone.
    »Das ist Ihre Garantie«, sagte er und legte die Kugel auf den Tisch.
    »Was ist das?« fragte ich und beugte mich darüber.
    In der spiegelnden Oberfläche sah ich mein komisch langgezogenes Gesicht.
    »Eine Bombe, Afanassi Stepanowitsch. Von schrecklicher Zerstörungskraft. Im Innern ist ein kleiner K-Knopf. Wenn man ihn drückt, aktiviert man den Zünder, und danach g-genügt eine Erschütterung – beispielsweise die Kugel auf den Steinboden fallen lassen –, und es erfolgt eine Explosion, die nichts übrigläßt, weder Sie noch Lind und seine Leute, nicht einmal die Kapelle. Der ›Orlow‹ bleibt übrigens heil, denn er ist ewig, und wir werden ihn s-später zwischen den Trümmern finden … Das müssen Sie auch dem Doktor erklären. Sagen Sie ihm, daß Sie die Kugel beim kleinsten A-Anzeichen eines unehrlichen Spiels auf den Boden werfen. Das ist das einzige

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