Entfuehrung nach Gretna Green
aufgefallen waren. Wie sich ihr Haar im Nacken kringelte. Wie süß sie duftete. Wie sie ihren Kopf auf die Seite legte, wenn sie aufmerksam zuhörte ... Und all diese Dinge machten sie plötzlich für ihn zu mehr als einer Freundin.
Es war, als hätte er sie all die Jahre durch dunkles Glas gesehen, und nun wären die Schatten fortgewischt worden, und er betrachtete sie zum ersten Mal im hellen Sonnenlicht. Venetia Oglivie, seine beste Freundin auf der ganzen Welt, die Frau, an die er niemals einen erotischen Gedanken verschwendet hatte, war schön. Es war nicht die grelle, zimperliche Schönheit der verwöhnten Damen der Gesellschaft, sondern die üppige, bodenständige Schönheit einer echten Frau.
Diese Erkenntnis hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht und ihn ungeschickt und übervorsichtig im Umgang mit ihr gemacht. Obwohl sie zu dickköpfig war, um es zuzugeben, musste ihr klar sein, dass sie mit ihm als Ehemann besser dran war als mit jedem anderen. Er kannte sie, schätzte sie, und sie war ihm wichtig. Er war eine gute Partie und konnte bestens für sie sorgen. Nach der Hochzeit konnte er seine Ställe in Lancashire vergrößern und dort all die Pferde unterbringen, von denen er wusste, dass sie sie gerne kaufen wollte. Was konnte sie sich sonst noch wünschen?
Er erinnerte sich, dass sie einen Wutanfall bekommen hatte, als er ihr ankündigte, dass er sie heiraten würde, und zog eine Grimasse. Obwohl sie eigentlich keine andere Wahl hatte als eine Ehe mit ihm, verdiente sie einen richtigen Antrag. Das war es, was jede Frau sich wünschte.
Gregor seufzte. Vielleicht würde er in der Abgeschiedenheit und Ruhe des Hauses ihrer Großmutter von vorne anfangen und ihr erklären, welche Vorteile es für sie hatte, wenn sie mit ihm verheiratet war. Sie war noch nicht bereit, sich einzugestehen, in welch schlimmer Notlage sie sich befand, aber wenn sie erst einmal so weit war, würde sie sicher noch einmal ernsthaft über sein Angebot nachdenken. Ihr blieb nichts anderes übrig.
Dieser Gedanke heiterte ihn auf, und mit leichterem Herzen ritt er um die nächste Kurve. „Brrr!“
Ein leichter Jagdwagen steckte seitlich der Straße im Matsch fest. Der Passagier und sein Kutscher standen daneben. Der Passagier, ein Mann in mittleren Jahren in einem teuren olivbraunen Mantel, trat gerade heftig gegen das Rad des Wagens.
Gregor lachte.
Der Mann drehte sich um und schien erstaunt zu sein, als er Gregor sah. „Es tut mir leid, dass Sie Zeuge meines kleinen Zornausbruchs waren“, entschuldigte sich der Mann und kam auf Gregor zu, um ihm die Hand zu reichen. „Ich bin Sir Henry Loudan.“
Der Händedruck des Mannes war fest und der Blick seiner grauen Augen klar und direkt. Seine Schläfen waren bereits leicht ergraut, und in seinen Augenwinkeln lagen Strahlenkränze von kleinen Fältchen, als würde er häufig lachen.
„Guten Tag“, grüßte Gregor ihn lächelnd. „Ich bin Gregor MacLean. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich nicht absteige, aber der Boden sieht ziemlich weich und matschig aus.“
Bekümmert schüttelte Sir Henry den Kopf und betrachtete seine schmutzigen Schuhe. „Ich hätte auch das Pferd nehmen sollen und nicht den Wagen, aber ich bin auf jeden Fall froh, dass Sie da sind. Wir stecken hier seit einer Stunde fest, und nicht eine Menschenseele ist seitdem vorbeigekommen. Ich fing an zu befürchten, wir müssten die restlichen vier Meilen bis Eddington laufen.“
Kritisch betrachtete Gregor die schlammige Straße. „Der Boden ist hier verdammt nachgiebig, nicht wahr?“
Der Mann nickte. „Auf der anderen Straßenseite ist es nicht so matschig. Ich wünschte, das hätten wir gewusst, bevor wir stecken geblieben sind.“
„Ich frage mich, ob der festere Streifen breit genug für eine Kutsche ist.“ Hinter sich hörte Gregor Ravenscrofts Kutsche nahen. Genau in dem Augenblick, in dem sie um die Kurve rumpelte, dirigierte er sein Pferd in die Mitte der Straße. Chambers erfasste die Situation auf den ersten Blick und brachte die Kutschpferde zum Stehen.
Die Tür wurde geöffnet, und Ravenscroft kletterte heraus, ohne auf Dreck und Matsch zu achten.
„Mr. West!“ Miss Platt streckte den Kopf aus dem Fenster. „Seien Sie vorsichtig! Ich fürchte, Ihre Füße werden nass, wenn Sie dort stehen bleiben. Sind wir stecken geblieben? Hoffentlich müssen wir nicht aussteigen und zu Fuß gehen, denn ich habe keine Wanderstiefel bei mir und würde meine Röcke ruinieren. Meinen Sie
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