Entfuehrung nach Gretna Green
ebenfalls ohne Zögern zu. Gregor verbeugte sich lediglich wortlos.
Knarrend setzte sich die große Kutsche in Bewegung, und die riesigen Räder hinterließen tiefe Spuren im Matsch der Pfützen. Kaum war die Kutsche verschwunden, wankten Treadwells Diener und Chambers unter der Last des vergessenen Koffers aus dem Haus.
„Großer Gott.“ Gregor eilte herbei, um den beiden Männern beim Tragen zu helfen. „Was hat sie bloß in diesen Koffer getan?“
„Ich habe keine Ahnung“, ächzte Chambers. „Jedenfalls fühlt es sich an wie Ziegelsteine.“
„Oder Gold“, schlug der andere Mann atemlos vor.
Schließlich war der Koffer hinten an der Kutsche festgeschnallt, und sie fuhren ebenfalls los. Gregor ritt hinter dem Wagen her. Um zu vermeiden, dass Miss Platt ihn ansprach, gab Ravenscroft vor zu schlafen. Venetia lehnte erschöpft und elend in einer Ecke.
Und Miss Platt, absolut unempfänglich für die Dinge, die um sie herum vorgingen, plapperte ununterbrochen vor sich hin und war offensichtlich höchst zufrieden, wie sich die Ereignisse entwickelt hatten.
Venetia konnte nur hoffen, dass sie das Haus ihrer Großmutter erreichten, bevor das zerbrechliche Gefüge ihrer Beziehungen untereinander ins Wanken geriet.
17. Kapitel
Ach, meine kleinen Mädchen! Es ist so wichtig, dass ihr lernt, klar und deutlich zu sagen, was ihr meint. Das ist das größte Geschenk, welches ihr euch selber und euren Lieben machen könnt...
...so sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei jungen Enkelinnen.
Gregor trieb sein Pferd zu einer schnelleren Gangart an.
Es fühlte sich wundervoll an, wieder auf dem Pferde rücken zu sitzen, die kühle, feuchte Luft zu atmen, die schwer vom Duft der nassen Erde war, und das Flüstern der Bäume im Wind zu hören. Es war zu schade, dass Venetia ihre Reitkleidung nicht mitgebracht hatte; dies war genau die Art von Ausritt, die sie liebte, weil dabei alle Sinne angesprochen wurden.
In seiner Vorstellung sah er sie vor sich herreiten, sah, wie ihr Pferd unter ihr tänzelte, sah den schelmischen Ausdruck in ihrem Gesicht, wenn sie sich umdrehte und ihm über ihre Schulter hinweg zulachte.
Zum ersten Mal seit ihrer Unterhaltung am Vortag lächelte Gregor.
Er drehte sich zu der Kutsche um, die langsam die Straße entlangholperte, wobei Chambers sorgfältig vermied, durch die tieferen Furchen und die matschigen Stellen zu fahren. Selbst aus der Entfernung konnte er das Gemurmel von Miss Platts ununterbrochenem Geplapper hören. Venetia und Ravenscroft würden wahrscheinlich bereit sein, die Frau umzubringen, noch bevor sie das Haus von Venetias Großmutter erreichten.
Die Ledervorhänge der Kutsche waren zurückgezogen. Wenn er auf gleicher Höhe mit der Kutsche ritt, konnte er durch das Fenster einen Blick auf Venetia erhaschen, deren braunes Haar mit viel zu wenigen Nadeln hochgesteckt war, sodass ihr zahlreiche Locken in den Nacken hingen. Auf ihrem Gesicht lag ein schmerzlicher Ausdruck, während Miss Platt munter vor sich hin schwatzte.
Venetia konnte nicht das Haus verlassen, ohne dass sie auf jemanden stieß, der ihr sein Leid klagte. Wahrscheinlich hätte er Mitleid mit ihr haben sollen, da sie so viele hilflose Menschen anzog. In der Vergangenheit - noch vergangene Woche, obwohl das eine Ewigkeit her zu sein schien - hätten sie gemeinsam über die alberne Miss Platt gelacht.
Er wäre neben der Kutsche hergeritten und sein Blick hätte Venetias getroffen, dann hätte sie sofort seine Gedanken gelesen, und er ihre. Nun mied sie seinen Blick und mied auch ihn.
Plötzlich wurde es dunkel in ihm, und ihm verging jede Lust zu lächeln. Er vermisste die alten Zeiten, und ein Teil von ihm hatte Angst, es würde nie mehr so sein wie damals. Erst seit er es kaum noch zu hören bekam, war ihm klar, wie sehr er Venetias Lachen liebte. Sie gluckste auf die liebenswerteste Art fröhlich vor sich hin, ihre Augen leuchteten wie funkelndes Silber, und ihre Mundwinkel bogen sich ganz zauberhaft nach oben.
Verdammt, verdammt, verdammt! Es war ungerecht, dass Ravenscrofts gedankenloses Verhalten zu einer solchen Entfremdung zwischen ihnen geführt hatte. Gregors Hände schlossen sich fester um die Zügel, und er gab seinem Pferd die Sporen, um einen größeren Abstand zwischen sich und die Kutsche zu legen.
Seit sie gemeinsam im Gasthof gewohnt hatten, nahm er sie auf eine völlig andere Art wahr. Er bemerkte tausend Dinge, die ihm vorher niemals
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