Entfuehrung nach Gretna Green
verfinsterte sich. „Mrs. Bloom hatte doch tatsächlich die Unverschämtheit zu behaupten, die Betten seien feucht. Als ob ich zulassen würde, dass ein Bett in diesem Haus feucht wird!“
„Vielleicht hatte sie heute ebenfalls keinen schönen Tag.“ „Das gibt ihr nicht das Recht, meine Betten feucht zu nennen. Mr. Treadwell und ich hatten in all den Jahren, die wir nun den Blue Rooster besitzen, nicht einen Gast, der so etwas behauptet hat!“
Venetia warf einen prüfenden Blick durch den Korridor auf die gegenüberliegende Tür. Sie war sich sicher, dass derjenige, der sich in diesem Zimmer aufhielt, jedes Wort ihrer Unterhaltung mit Mrs. Treadwell verstehen konnte. Und wenn Mrs. Bloom schon vorher schlecht gelaunt gewesen war, würde sie sehr schlecht gelaunt sein, nachdem sie gehört hatte, wie die Gastwirtin auf dem Flur lautstark über sie schimpfte.
„Ich bin sicher, die Betten sind völlig in Ordnung, Mrs. Treadwell“, beeilte sich Venetia festzustellen. „Vielen Dank noch mal für das warme Wasser.“
Die Frau nickte und wandte sich dann mit hüpfenden Silberlöckchen der Tür auf der anderen Seite des Ganges zu, wobei sie ihre Schultern straffte, als würde sie sich auf einen Kampf vorbereiten. Venetia schloss ihre eigene Tür und beugte sich über ihre Reisetasche, um sie auszupacken.
Sie hatte soeben den Verschluss geöffnet, als sie hörte, wie die gegenüberliegende Tür geöffnet wurde und sich eine Frau mit hoher, schriller Stimme darüber beklagte, dass die Vorhänge nicht richtig dicht seien. Nachdem sie diesen Mangel genaustens beschrieben hatte, verlangte sie zu wissen, was Mrs. Treadwell gedachte, dagegen zu unternehmen.
Es schien, als hätte die Wirtin Mrs. Bloom zutreffend beschrieben. Als die Stimmen nach einiger Zeit schwiegen, wandte sich Venetia wieder ihrer Reisetasche zu.
Jedes ihrer mitgebrachten Kleider war furchtbar zerknittert und, schlimmer noch, nass, weil das Gepäck in den Schnee gefallen war. Da sie in London in größter Eile gepackt hatte, fehlten viele notwendige Dinge. Sie hatte nicht daran gedacht, zusätzliche Haarnadeln mitzubringen, hatte aber bei ihrem Sturz eine Menge verloren. Da sie nicht mit Schnee gerechnet hatte, hatte sie außer den feuchten Stiefeletten, die sie trug, nur leichte Schuhe dabei, die höchst ungeeignet für dieses Wetter waren. Für den Vormittag hatte sie ihr weißes Wickelkleid mit der blauen Schärpe mitgebracht, aber vergessen, passende Bänder für ihr Haar einzupacken. Für Besuche hatte sie ein hübsches graues Kleid bei sich, jedoch keine weißen Handschuhe, und obwohl sie ihre Stickarbeit in die Tasche gepackt hatte, fehlte das Garn, welches wahrscheinlich im Schnee verloren gegangen war.
Das alles war ärgerlich, doch ihr knurrender Magen gestattete ihr nicht, sich mit diesen Problemen zu beschäftigen. Sie breitete die feuchten Kleider im Zimmer zum Trocknen aus, so gut es ging und wählte dasjenige aus, das halbwegs präsentabel war: ein dunkelgrünes Kleid mit einem vorne geschlitzten Rock über einem gestreiften braunen Unterrock, mit langen Ärmeln und einem hohen, runden Kragen. Obwohl auch dieses Kleid zerknittert war, befand es sich in einem besseren Zustand als die anderen.
Nachdem sie sich umgezogen hatte, wusch Venetia sich Gesicht und Hände mit dem angenehm warmen Wasser, fand ihren Elfenbeinkamm (wenn auch nicht den Spiegel) und steckte ihr Haar mit den paar Nadeln hoch, die ihr noch geblieben waren. Während sie ihre braunen Seidenschuhe anzog, stellte sie erleichtert fest, dass sie während der vergangenen zehn Minuten kein einziges Mal an Gregor gedacht hatte, nicht einmal ein winziges bisschen.
Bei diesem Gedanken musste sie lächeln, und sie machte sich erleichtert auf den Weg nach unten. Als sie den Gastraum betrat, ließ sich Ravenscroft gerade in einen der Stühle vor dem Feuer fallen. Sein Gesicht war bleich vor Erschöpfung, seine Kleider zerknittert.
Gregor dagegen war gekleidet, als hätte er sich darauf vorbereitet, in London Besuche in vornehmen Häusern zu machen. Er beugte sich soeben über die Hand einer hochgewachsenen Frau in einem dunkelbraunen Kleid, die ihr weißes Haar auf lächerliche Weise mit einer großen Anzahl von Straußenfedern geschmückt hatte.
Als Venetia den Raum betrat, ging sein Blick sofort in ihre Richtung und glitt vom Kopf bis zu den Zehenspitzen über ihren Körper, wobei er auf ihrer Haut eine prickelnde Spur hinterließ.
Mit heißen Wangen wandte Venetia sich ab
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