Entfuehrung nach Gretna Green
Chambers trat ein. „Entschuldigung, Mylord, aber eine andere Kutsche ist zwei Meilen die Straße hoch in einer Schneewehe stecken geblieben und hat sich überschlagen.“
„Himmel! “, rief Venetia erschrocken und sprang auf. „Wurde jemand verletzt?“
„Nein, aber es könnte sein, dass sich eines der Pferde ein Bein gebrochen hat. Mr. Treadwell ist losgefahren, um die Reisenden zu holen, einen Gentleman und seine Tochter.“ Missbilligend kniff Mrs. Bloom die Lippen zusammen. „Sie können nicht auch noch hier wohnen. Es ist hier voll genug, wie es jetzt ist.“
Venetia zog unauffällig die Brauen ein winziges Stück hoch und signalisierte Gregor damit, dass nun offenbar die Streitäxte ausgegraben wurden.
In kühlem Ton bemerkte sie: „Ich bin sicher, Mrs. Bloom, dass niemand von uns versäumen wird, seine Pflicht zu tun, weil niemand von uns unhöflich oder gefühllos ist.“
Mrs. Bloom feiste Wangen nahmen ein unvorteilhaftes Rot an. „Ich wollte nicht vorschlagen, dass wir uns herzlos verhalten sollen, aber wir müssen realistisch denken. Es gibt nur eine bestimmte Menge Lebensmittel und keine freien Betten mehr. Wo sollten dieser Mann und seine Tochter schlafen ...“
„Ich werde mein Bett mit der jungen Dame teilen“, unterbrach Venetia sie. „Ich weiß nur noch nicht, wo wir den Gentleman unterbringen sollen.“ Sie warf Gregor einen auffordernden Blick zu.
Er verhielt sich jedoch klugerweise ruhig und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Teller zu. Ihm war klar, dass Venetia davon ausging, er würde mit diesem Verhalten nur einmal mehr seine unfreundliche, wenig hilfsbereite Natur zeigen, aber das war ihm egal: Er wollte verdammt sein, wenn er sein
Bett einem Mann zur Verfügung stellte, den er noch nie im Leben gesehen hatte. Zur Hölle, er war sich nicht einmal sicher, ob er sein Bett jemandem überlassen würde, den er kannte. Wäre es einer seiner Brüder, würde er dem Kerl vielleicht eine Decke hinwerfen, das war aber auch alles. Männer waren nun einmal so.
Und überhaupt, welchen Vorteil hätte es letzten Endes, wenn er Unannehmlichkeiten auf sich nahm? Die andere Person würde sich behaglicher fühlen, aber zählte Gregors Unbequemlichkeit denn gar nicht und verlangte sie nicht danach, dass Abhilfe geschaffen wurde?
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass Venetia und Mrs. Bloom ihn streng ansahen. Er zog die Brauen hoch und starrte einfach zurück. Er teilte bereits sein Zimmer mit dem schnarchenden Ravenscroft. Das war schon fast mehr Aufopferung, als man von einem einzigen Menschen erwarten konnte.
Venetia runzelte die Stirn und fragte mit funkelnden Augen: „Nun?“
„Du hast recht“, stellte Gregor fest, nachdem er Messer und Gabel hingelegt hatte.
Als er ihr strahlendes Lächeln sah, bereute er fast, aber nur fast, was er als Nächstes sagen würde. „Es muss etwas getan werden, und zwar sofort.“ Er warf Ravenscroft einen Blick zu. „Nun?“
Der jüngere Mann blinzelte verwirrt. „Nun was?“
„Sind Sie bereit, Ihre Unterkunft zu teilen, wie Miss West es vorschlägt?“
Ravenscroft fing Venetias Blick auf und errötete. „Ja, ja. Selbstverständlich bin ich dazu bereit!“
„Das wäre dann also geklärt“, stellte Gregor in mildem Ton fest. „Ravenscroft wird sein Bett dem ehrenwerten Gentleman zu Verfügung stellen. Ich hoffe nur, der Neuankömmling schnarcht nicht.“
„Aber“, stieß Ravenscroft hervor, „wo werde ... was werde ich ...“
Gregor steckte den Arm aus und klopfte dem jungen Mann auf die Schulter. „Wir werden Ihnen ein Lager aus Stroh auf dem Boden bereiten. Machen Sie sich keine Sorgen darüber.“
„Das wird wohl am besten sein, denn es hilft ja ohnehin nichts“, seufzte Ravenscroft ergeben.
„Guter Mann!“, lobte ihn Gregor herzlich und atmete tief durch. „Es wirkt doch nichts so belebend wie eine gute Tat gegenüber einem Mitmenschen!“
Venetia betrachtete ihn abschätzig. „Das war ein schmutziger Trick, MacLean.“
„In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt, meine Beste.“ Gregor griff nach der Platte mit den Rühreiern und nahm sich noch etwas.
„Was tust du da, Gregor?“
„Ich glaube, das ist ziemlich offensichtlich. Ich esse.“
„Aber dieser Mann und seine Tochter ... “
„Um die kümmert sich Mr. Treadwell. Wenn er dabei Hilfe braucht, wird er uns informieren. Habe ich recht, Chambers?“ Er warf seinem Reitknecht einen Blick zu.
„Ja, Mylord. Mr. Treadwell trug mir nur auf, die Damen zu
Weitere Kostenlose Bücher