Entfuehrung nach Gretna Green
Durch ihre dichten Wimpern hindurch sah sie ihn von unten an. „Du bist doch sicher auch dieser Meinung?“
„Ich bin auch der Meinung, dass es die beste Lösung wäre ...wenn wir es irgendwie hinbekommen könnten. Was aber wohl nicht geht.“
Bei seinen Worten waren ihre Schultern nach vorne gefallen. „Du meinst, wir können nicht zurück?“
„Ich glaube, du weißt nicht, wie diese Dinge laufen,Venetia.“ „Was für Dinge?“
„Verlangen. Leidenschaft. Lust.“
„Oh“, flüsterte sie kaum hörbar. „Diese Dinge.“
„Ich kann nicht plötzlich wieder aufhören, dich mit den Augen eines Mannes zu sehen, nur weil du es so willst oder weil es praktischer für uns beide ist. Wir könnten versuchen zu ignorieren, was neuerdings zwischen uns ist, aber ich glaube nicht, dass das überhaupt noch geht.“
Sein Blick glitt über ihr Haar, und er musste lächeln. Jeden Tag fehlten ihr ein paar Haarnadeln mehr, sodass ihre normalerweise ordentliche Frisur sich immer mehr auflöste. Nun hingen schon zahlreiche seidige Strähnchen über ihre Ohren und schmiegten sich an die zarte Linie ihres Halses.
Gregor spürte, wie sein Körper sich anspannte. Das war es, was sich zwischen ihnen geändert hatte. Nun sah er Venetia, wie sie wirklich war, und hatte nicht mehr das Bild vor Augen, das er sich von ihr gemacht hatte. In London war sie für ihn das kleine Mädchen geblieben, das er vor vielen Jahren kennengelemt hatte. Das Mädchen, das sich gegen seine Eltern aufgelehnt und so viel und so gerne gelacht hatte. Im Laufe der Zeit hatte sie sich verändert, aber er war blind für diese Veränderung gewesen.
Jetzt konnte er sich nicht an ihr sattsehen. In der vergangenen Nacht, während er sich ruhelos in dem schmalen, unbequemen Bett herumgewälzt und dem lauten Schnarchen des Squires gelauscht hatte, welches gelegentlich von Ravenscrofts Murmeln und Schnaufen punktiert worden war, war Gregor von den Gedanken an Venetia heimgesucht und nicht wieder losgelassen worden. Wieder und wieder hatte er sich gesagt, dass sie nicht die Richtige für ihn war, dass ihre Anziehung in dem Moment verschwinden würde, in dem sie zurück in London waren - aber etwas tief in seinem Inneren flüsterte ihm zu, dass es eine furchtbare Verschwendung wäre, das geschehen zu lassen. Dass sie zu ihrem beiderseitigen Nutzen der verrückten Versuchung nachgeben mussten, falls es nicht doch um mehr als um Lust und Leidenschaft ging.
Er hatte versucht, sich selber Vernunftgründe aufzuzählen, weshalb nichts in dieser Richtung zwischen ihnen geschehen durfte. Hatte versucht, sich einzureden, dass Venetia nicht die Sorte Frau war, die Vergnügen daran hatte, mit einem Mann herumzutändeln. Aber er konnte die Leidenschaft in ihren Küssen nicht leugnen und musste immer wieder daran denken, wie ihre Lippen unter seinen gebebt hatten und wie sie sich unbewusst enger an ihn gepresst hatte.
Im Morgengrauen war er entschlossen gewesen, mit ihr zu reden. Der einzige Weg, sich von dieser verrückten Sehnsucht zu befreien, war der, sich ihr zu ergeben, und ihr bis zu ihrem logischen Ende zu folgen. Er hatte sich eingeredet, dass die Anziehung zwischen Venetia und ihm dadurch auf keinen Fall noch stärker werden könnte, denn wenn das geschah, konnte ihnen nur noch Gott helfen.
Er nahm ihre beiden Hände in seine und sagte mit sanfter Stimme: „Wenn wir auch nicht dorthin zurück können, wo wir vorher waren, können wir doch vorwärtsgehen, Venetia.“ Langsam hob er die Hand und strich ihr über die Wange.
Ihr Körper erbebte, und sie schloss für einen Moment die Augen, sodass ihre Wimpern wie perfekt geschwungene, schwarze Bögen auf ihren Wangen ruhten.
„Spürst du das?“, fragte er mit leiser Stimme. „Kannst du fühlen, wie dein Körper auf die Berührung meiner Hände reagiert?“
Nickend biss sie sich auf die Unterlippe, was ein fast schmerzliches Verlangen in ihm wachrief.
„Wir können auch weiterhin Freunde sein,Venetia, aber wir können außerdem noch ..."
„Nein!“
„Hör mir wenigstens zu ...“
„Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Anziehung irgendeine Bedeutung für uns erhält, Gregor.“
Er machte eine Bewegung auf sie zu, sodass seine Beine sich an ihre Röcke pressten und sein Atem ihre Wange streichelte, als er ihr ins Ohr flüsterte: „Genau jetzt, in diesem Moment, bin ich verrückt vor Verlangen danach, dich zu berühren und dich zu schmecken. Wie soll ich es schaffen, damit aufzuhören? Bist du dir
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